Rieseln und Zischen

So wie sie aussieht, könnte man die junge Frau glatt für eine Umweltaktivistin halten, die gleich in die Lausitz aufbricht. Bestückt mit Rucksack, Isomatte und Trommel betritt Pamina de Coulon am Samstag den kleinen Saal des Metzer Frac Lorraine, der mit einschlägigen Polit-Transparenten wie "nique la police" bestückt ist, für eine 40-minütige Performance. Sicher, eine paar Handgreiflichkeiten bietet sie auch. Sie schlägt die Trommel, macht Yoga-Übungen auf ihrer Matte, packt irgendwann einen Blumenkranz aus und setzt ihn sich auf.

 Der Tänzer im Farbenmeer: eine Szene aus dem wenig frankophon betitelten „The Artificial Nature Project“. Foto: Jan Lietard

Der Tänzer im Farbenmeer: eine Szene aus dem wenig frankophon betitelten „The Artificial Nature Project“. Foto: Jan Lietard

Foto: Jan Lietard

Doch ansonsten redet sie und redet, ohne Atemzuholen, im TGV-Tempo, selbstverständlich auf Französisch. Über Zeitreisen, Science Fiction, Newton, den Urknall und alle möglichen wissenschaftlichen Theorien und Aporien, um die Welt neu zu erklären. Ein Gefühlsfeuer vermag die 29-jährige Schweizer Diplom-Künstlerin mit ihrem "Fire of Emotions: Genesis " aber nicht zu entzünden. Als Nicht-Muttersprachler kommt man bei ihrem rasend "gesprochenen Essay" nicht mit. Und das sind mindestens drei der rund 30 Besucher im Saal. Drei von 15 Saarländern, die an diesem Samstag mit dem Festival-Bus aus Saarbrücken gekommen sind, um sich in Metz eine oder zwei Perspectives-Vorstellungen von Kooperationspartnern anzusehen.

Auch die zweite, im Centre Pompidou, ist, obgleich ohne Sprache, harte, oder besser gesagt: zähe Kost. "Ein gigantisches Feuerwerk der Elemente und eine bildgewaltige, visuelle Erfahrung der besonderen Art", verspricht man uns mit dem Stück der dänischen Choreografin und Tänzerin Mette Ingvartsen. "The Artificial Nature Project" ist - damit passend zum Ort - mehr verwandt der Bildenden Kunst als dem Tanz. Auf einer dunklen Bühne bringen sieben grau und schwarz vermummte Gestalten 70 Minuten lang Unmengen von Silberfolien-Stückchen zum Tanzen. Mal rieseln sie wie Schnee herab, mal stieben sie auf wie Geysire und Fontänen. Die Tänzer, die in den Silberhaufen wühlen und sie auf mysteriöse Weise vermehren, stellen sich ganz in den Dienst dieser künstlichen Naturphänome, die sie in allen Varianten durchdeklinieren, und sind dabei kaum zu sehen.

Irgendwann schleppen sie Laubsauger herbei und entfesseln, nun wie Schwerindustriearbeiter mit Ohrschutz und Sicherheitsbrillen ausgerüstet, mit lauten Getöse regelrechte Orkane. Schließlich reißen sie noch Rettungsfolien aus dem Boden und lassen sie tanzen. Eine Zeitlang ist dieses Schauspiel faszinierend, die im Programmheft verratene Absicht, den Zuschauer durch diese kalte künstliche Welt für Umweltgefährdung zu sensibilisieren, nachvollzogen. Doch dauert es leider viel zu lang. Nach 50 Minuten zieht sich die Performance wie Kaugummi und scheint kein Ende zu finden. Der nahezu vollbesetzte Saal spendet gleichwohl herzlichen Applaus.

Vergleicht man die Metzer Vorstellungen mit dem Saarbrücker Perspectives-Programm, erkennt man einen deutlichen Bruch. Während Festival-Leiterin Sylvie Hamard bewusst auf Zugänglichkeit und bei vielen Angeboten auch auf Breitentauglichkeit setzt, bietet Metz schwerer Verdauliches und bedient so die Nischen. Eine gezielte Arbeitsteilung? Die Metzer Programmpunkte, das erfährt man von Hamard, haben allein die Metzer ausgesucht. Auf einen etwas anderen Spielplan sollte man sich also einstellen, wenn man die Reise nach Metz antritt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort