Retter bewahren einen kühlen Kopf

Saarbrücken · In der Nacht auf Sonntag haben Polizei und Hilfsorganisationen bei einer Großübung am Saarbrücker Hauptbahnhof getestet, wie effizient sie in einer Ausnahmesituation zusammenarbeiten. Noch kurz vor Übungsende stellte eine Wendung das Organisationstalent der rund 700 Beteiligten auf die Probe.

 Zuerst evakuiert die Feuerwehr die Verletzten aus der Gefahrenzone. Am Gleis entscheidet anschließend der Leitende Notarzt, wer wo wie behandelt wird.

Zuerst evakuiert die Feuerwehr die Verletzten aus der Gefahrenzone. Am Gleis entscheidet anschließend der Leitende Notarzt, wer wo wie behandelt wird.

Foto: Becker&Bredel

"Achtung, zu Ihrer eigenen Sicherheit muss der Bahnhof geräumt werden": Mit dieser Durchsage per Lautsprecher am Saarbrücker Hauptbahnhof startet kurz nach 23 Uhr die groß angelegte Katastrophenübung. Dass es an dem Abend stockdunkel ist, liegt am Szenario: Blitzeinschläge haben einen Stromausfall im gesamten Bahnhof ausgelöst, und ein einfahrender Regionalzug ist gerade auf einen Prellbock geprallt. Die ersten am Gleis 2 sind nicht Rettungskräfte, sondern Gaffer. Manche filmen blutende Verletzte durch die Zugfenster, andere versuchen vergeblich, die Menschen aus dem Zug zu holen. Als die ersten Feuerwehrleute anrücken, müssen sie zuerst umdenken. Ohne Strom funktionieren viele Geräte nicht. Zwei von ihnen sind auf die Schienen getreten und graben im Schotter, um unter den Schienenköpfen eine Leitung zu verlegen. Währenddessen haben es drei ihrer Kollegen geschafft, die klemmenden Türen zu öffnen und helfen den ersten Verletzten aus dem Zug raus.

Vom gegenüberliegenden Gleis aus sehen Medienvertreter und Beobachter, wie Leiter, Geräte und Tragen nach und nach auf das Gleis gebracht werden. "Das ist eine Besonderheit dieser Übung an einem Gleis. Die Feuerwehr kann mit ihren Fahrzeugen nicht so nah wie üblich an den Einsatzort heranrücken. Alle Geräte müssen erstmal bis hierher transportiert werden. Dazu müssen sie sehen, dass sie an Strom kommen", erklärt Peter Fuchs , Direktor der Bundespolizeiinspektion Bexbach. Ein Jahr lang hat er mit einem elfköpfigen Team aus Vertretern aller beteiligten Organisationen die Übung vorbereitet.

Fuchs' Mitarbeiter vom Ermittlungsdienst fangen an, Spuren der Unfallursache zu sichern. "In diesem Moment kann es zu Spannungen kommen. Die Feuerwehr muss mit allen Mitteln die Reisenden evakuieren, und die Polizei möchte an einem Tatort so unverändert wie möglich arbeiten", weiß Fuchs. "Aber egal, was ist, die Menschen haben immer Priorität." Doch heute Abend scheint alles reibungslos zwischen den verschiedenen Diensten zu funktionieren. Routiniert und ohne jegliche Hektik läuft der Einsatz ab. Würde es in einem Echtfall auch wirklich so ruhig ablaufen? "Natürlich trainieren wir hier in optimalen Bedingungen. In einem Echtfall wäre bei einem zerstörten Zug und verzweifelten, schreienden Verletzten die Lärmkulisse viel stärker", erklärt Landesbrandinspekteur Timo Meyer. "Aber der Ablauf stimmt. Unsere Leute sind bestens vorbereitet. Egal wie die Lage ist, jeder weiß, was er zu tun hat."

Die Mitarbeiter der Rettungsdienste versorgen Menschen auf dem Gleis und auf der Treppe. Sie decken Verletzte auf den Tragen mit Wärmedecken zu und warten auf Anweisungen. "Um die chaotische Lage vom Einsatzort nicht ins Krankenhaus zu verlegen, entscheidet der Leitende Notarzt, wer entsprechend seinem Zustand zuerst wohin gebracht wird und wer vor Ort behandelt werden kann", sagt Lukas Hoor vom Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Saar. Wer nicht verletzt ist, wird in die Wartehalle des Bahnhofs gebracht und dort durch Mitarbeiter der Notfallseelsorge, des Technischen Hilfswerks und der Bahn betreut. Zugleich müssen zwei weitere Züge evakuiert werden, die seit Einsatzbeginn mit verriegelten Türen wegen des Stromausfalls nicht abfahren können. Zwischen Ahnungslosigkeit und Panik verlieren die Fahrgäste dort langsam die Nerven und gehen schon den Zugführer an.

Ein paar Stunden später halten die meisten die Übung für beendet. Dann müssen alle plötzlich den Bahnhof verlassen. "Ist das jetzt Übung oder Reallage?", fragt eine Polizistin ihren Kollegen. Tatsächlich handelt es sich um einen Teil der Übung, der bewusst als Überraschung eingebaut wurde. Ein Spürhund hat bei einem Gepäckstück angeschlagen. Alle verlassen das Gebäude. Kurz vor drei Uhr ist es vorbei. Feierabend. Diesmal Reallage.

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