Respekt vor der Bombe

Saarbrücken · Eine Weltkriegsbombe in einem dicht besiedelten Stadtviertel mit Kino – das stellte die Einsatzkräfte gestern vor eine große Herausforderung und die Anwohner vor die Frage: Was tun, während die arbeiten?

 Ein Lautsprecherwagen der Polizei weckte die Anwohner.

Ein Lautsprecherwagen der Polizei weckte die Anwohner.

 Dirk Otterbein

Dirk Otterbein

 Ingo Wagenknecht

Ingo Wagenknecht

 Die Saarbrücker Feuerwehr brachte auch eine pflegebedürftige Patientin aus dem Gefahrenbereich.

Die Saarbrücker Feuerwehr brachte auch eine pflegebedürftige Patientin aus dem Gefahrenbereich.

 Julie-Marie spricht ihrem Hamster „Speedy“ und den beiden Katzen „Max“ und „Balou“ Mut zu. Fotos: Becker&Bredel

Julie-Marie spricht ihrem Hamster „Speedy“ und den beiden Katzen „Max“ und „Balou“ Mut zu. Fotos: Becker&Bredel

"Als wir vor Jahren schon einmal in Burbach auf den Saarterrassen so eine Fliegerbombe sprengen mussten, flogen Splitter bis in die Ortsmitte von Burbach", erinnert sich Werner Fuchs , Sprengmeister beim Kampfmittelräumdienst des Saarlandes. Daher hatte er Respekt vor der Aufgabe, die ihn gestern erwartete. Doch es ging "sehr leicht", sagte Dirk Otterbein, der Leiter des Kampfmittelräumdienstes, am Ende der Aktion.

Um 13 Uhr begannen er, Fuchs und Raimund Meiser mit der Entschärfung, kaum eine Stunde später war der Spuk vorbei. Die Entschärfung einer 250 Kilogramm schweren englischen Bombe ist normalerweise Routine, oft geübt. Doch diesmal war es etwas anders. Denn schon beim ersten Ortstermin hatte Fuchs einen Teil des Zünders plötzlich in der Hand. Es war abgebrochen, vermutlich schon damals, als die Bombe in die Erde einschlug. Deswegen explodierte sie nicht, die Experten hatten die Befürchtung, dass man den Zünder vielleicht nicht würde herausdrehen können.

Letztlich gelang das aber doch. Als Fuchs die Bombe Mitte der Woche inspiziert hatte, stellte er fest, dass keine akute Explosionsgefahr bestand und verschob die Entschärfung vom Werktag auf den Sonntag. Das machte gestern noch genug Probleme, aber unvergleichlich weniger als an einem Werktag.

Die Bombe liegt in einem Baufeld zwischen dem Energieunternehmen Steag und dem Cinestar-Kino am Bürgerpark. Auf der anderen Seite der St. Johanner Straße reihen sich Mietshäuser aneinander. In der Gegenrichtung liegen Bürgerpark, Saar und Stadtautobahn. Der vorgeschriebene Sicherheitsradius von 300 Metern hatte es also in sich.

Ingo Wagenknecht von der Saarbrücker Berufsfeuerwehr koordinierte den Großeinsatz. Schon am Freitag gingen Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr von Haus zu Haus und hängten Infozettel an die Türen und eine Planskizze gleich dazu. Alle Häuser sollten gestern um acht Uhr geräumt werden, die meisten Menschen waren weggefahren oder bei Freunden untergekommen. Firmen waren ohnehin geschlossen. Trotzdem bedeutete diese Entschärfung viel Mühe.

1500 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, das Kino blieb geschlossen, die Autobahn und die Saarbahnlinie gesperrt. Wer kein Ausweichquartier hatte, für den hatten Malteser und Feuerwehr die Rastbachtalhalle als Notquartier anzubieten. Das nutzten nur wenige. Anwohnerin Edeltraud Borst wurde von der Tochter abgeholt, Nachbarin Hildegard Neu zog für einige Stunden zu einer Freundin. "Da machen wir uns mal einen schönen Sonntag", sagte sie.

Sultan Canoglu aus dem Haus gegenüber packte ihre Tasche und ging "einige Stunden in die Stadt". Verständnis hatten sie alle. Auch die kleine Julie-Marie, die an der Bushaltestelle ihren Hamster "Speedy" und die Katzen "Max" und "Balou" aufmunterte. "Die beiden haben Angst vor einem Knall", sagte das Mädchen. Doch der blieb ohnehin aus. Letztlich kam die Bombe - unspektakulär - in einen Lieferwagen und wurde weggefahren.

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