Rekordwert bei Kirchenaustritten

Saarbrücken · Die gestern von der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellte Kirchenstatistik hat es in sich: 2014 traten in Deutschland so viele Menschen aus der katholischen Kirche aus wie nie. Die Bischöfe suchen nach Ursachen.

Obwohl Papst Franziskus als beliebt gilt und nach dem Limburger Bau-Skandal und den Missbrauchsfällen aktuell kein Aufsehen erregender "Kirchenskandal" schwelt, haben 2014 so viele Menschen die katholische Kirche verlassen wie noch nie. Die bundesweite Zahl der Austritte belief sich nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz vom Freitag auf 217 716. Damit übertrifft sie sogar den Wert von 2010, dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals (181 193 Austritte), deutlich. Die Katholiken machen in Deutschland jetzt noch 29,5 Prozent der Bevölkerung aus - das sind knapp 24 Millionen Menschen.

Auch die Bistümer Trier und Speyer, zu denen die Gläubigen im Saarland gehören, haben 2014 mehrere tausend Mitglieder verloren: So kehrten im Bistum Trier 10 729 Menschen der katholischen Kirche den Rücken, davon 4374 im Visitationsbezirk Saarbrücken , dem saarländischen Gebiet des Bistums. Insgesamt leben im Bistum Trier noch 1,42 Millionen Katholiken . Im Bistum Speyer sind im vergangenen Jahr 5473 Katholiken ausgetreten, spezielle Angaben für die saarländischen Dekanate gab es am Freitag nicht. Insgesamt zählt das Bistum 550 474 Katholiken .

Der Trierer Generalvikar Georg Bätzing nannte den Rückgang "bitter". "Gerade im Hinblick auf unsere Bemühungen um Transparenz bedauere ich die erneut hohen Austrittszahlen sehr", sagte er. Er machte vor allem das geänderte Verfahren zum Abzug der Kirchensteuer bei Kapitalerträgen verantwortlich. Dabei handele es sich nicht um eine neue Steuer, sondern um eine Automatisierung des Einzugsverfahrens, betonte er. Die Einstellung zur Kirche habe sich grundsätzlich geändert. Früher hätten Menschen die Kirche als eine Familie empfunden, heute sei das Verhältnis eher wie das zu einem Verein oder einer Partei. "Da fällt der Austritt leichter."

Bedauern über die Austritte auch im Bistum Speyer. Es führt neben diesen Gründen auch die Wirkung der Debatten zu den Themen Missbrauch und kirchliches Vermögen als Ursachen an. Menschen hätten "sich offenbar nicht mehr ausreichend angesprochen und beheimatet gefühlt". Als Konsequenz will das Bistum Speyer die Evangelisierung und die Öffnung über die Kerngemeinden hinaus mit seinem neuen Seelsorgekonzept weiter vorantreiben.

Den Austritten stehen 2809 Eintritte (Trier: 101, Speyer 50) gegenüber - davon 2359 von Protestanten ; die Zahl der Wiederaufnahmen betrug in Trier 328, in Speyer 150.

Leicht gestiegen ist im Bistum Trier die Zahl der Taufen von 9134 im Jahr 2013 auf 9310 im vergangenen Jahr. Dies sei angesichts rückläufiger Geburteraten bemerkenswert.

Aktuelle Austrittszahlen für die Protestanten liegen noch nicht vor; ersten Schätzungen zufolge dürften sie 2014 jedoch ebenfalls hoch gewesen sein.

Meinung:

Misere liegt nicht nur an Fehlern

Von SZ-RedakteurinUte Klockner

Die Kirchen bluten aus. Die Gründe dafür allein bei dem Missbrauchsskandal oder dem Limburger Protzbau zu suchen, greift zu kurz. Denn um die Protestanten steht es nicht besser. Die Kirchen dürfen nicht mehr die Augen vor dem verschließen, was die Menschen wollen und brauchen, wenn sie die Entwicklung stoppen und nach wie vor Gehör finden wollen.

Leicht ist das nicht in einer Zeit, in der man häufig belächelt wird, wenn man glaubt, dass es mehr gibt als das, was sichtbar ist. Drum liegt die Misere der Kirchen nicht allein an ihren Fehlern: Denn Menschen, die nicht glauben, kann auch der beste Pfarrer kaum erreichen. Wer die Frage nach dem ewigen Leben nicht stellt, sucht darauf keine Antwort.

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