Rekordbesuch zum Abschied

Saarbrücken · Zum wohl letzten Mal hat der Botanische Garten der Saar-Uni gestern sein Frühlingsfest gefeiert. Bis zu 3000 Besucher drängelten sich auf dem Gelände des 65 Jahre alten Gartens, der zum 1. April die Pforten schließt.

 „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, …“ Angelehnt an Martin Luther pflanzte Gartenchef Wolfgang Stein gestern noch einen Apfelbaum im Botanischen Garten. Fotos: Oliver Dietze

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, …“ Angelehnt an Martin Luther pflanzte Gartenchef Wolfgang Stein gestern noch einen Apfelbaum im Botanischen Garten. Fotos: Oliver Dietze

 Riesen-Andrang beim Abschiedsfest in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens.

Riesen-Andrang beim Abschiedsfest in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens.

Rekordbesuch zum Abschied: Bis zu 3000 Menschen haben gestern den Botanischen Garten der Uni Saarbrücken bevölkert, um von der seit 1951 bestehenden Einrichtung bei einem letzten Frühlingsfest Abschied zu nehmen - oder sie zum ersten Mal überhaupt zu besuchen. Das Gewächshaus mit seinen 1800 teils sehr seltenen Pflanzenarten war zeitweise so überfüllt, dass die Glastüren aus Sicherheitsgründen immer wieder geschlossen werden mussten und nur einzelne Gruppen von jeweils etwa 20 bis 30 Personen nachrücken konnten.

"So viele Leute hätten mal jeden Tag kommen müssen", sagte Gartenchef Wolfgang Stein. Angelockt vom Abschiedsfest, konnten die zahlreichen Besucher gleich links hinter der Eingangstür des Gewächshauses eines der Prunkstücke des Gartens bestaunen: einen über 50 Jahre alten Ameisenbaum, von dessen Art es in Deutschland nur zwei Exemplare gibt, und der wie 700 andere der 2200 in Saarbrücken betreuten Pflanzen auf der Washingtoner Artenschutzliste steht. Familien mit Kindern zog es bei teilweise tropischer Luftfeuchte auch noch einmal zu Bananenstauden, seltenen Mimosen und diversen anderen bizarren Gewächsen. Als schwarz verhüllter, todbringender Pleitegeier stiefelte derweil Kunststudentin Jennifer Lubahn (27) durch die Besuchermassen, während draußen bei Samba-Klängen Riesenseifenblasen zerplatzten. Gegen Mittag trat der unter dem Spardiktat der CDU /SPD-Landesregierung leidende Uni-Präsident Volker Linneweber als Hausherr ans Mikrofon und verkündete: "Der Botanische Garten kann als Kultureinrichtung in dieser Form leider nicht mehr aufrecht erhalten werden." Er schließe endgültig am 1. April, weil der jährliche Unterhalt von 500 000 Euro plus Sanierungskosten nicht mehr tragbar sei. Zumal der Garten für Forschung und Lehre kaum noch eine Rolle spiele. Das eingesparte Geld entspräche zwei bis drei Professorenstellen. "Und jede Professur, wie wir retten können, ist von höchstem Wert", betonte Linneweber: "Wir müssen uns aufs Kerngeschäft konzentrieren."

Immerhin war der Garten als Lernort für Schulklassen beliebt und verzeichnete etwa 20 000 Besucher im Jahr. Linneweber, der für seine Rede kaum Beifall erntete, sicherte Gartenchef und Biologe Stein, den letzten verbliebenen zwei von ehemals neun Gärtnern sowie allen anderen Beschäftigten des Botanischen Gartens andere Arbeitsplätze innerhalb der Hochschule zu. Stein appellierte an Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ), den Botanischen Garten doch noch zu retten oder ihn zumindest einmal in den nächsten Tagen zu besuchen.

Die 2200 Pflanzen sollen laut Uni-Leitung nun anderen Botanischen Gärten angeboten oder verschenkt werden. Aber für den Gartenchef ist das "ein Wettlauf mit der Zeit bis Ende April, bevor die Pflanzen kaputt gehen". Der Ameisenbaum lasse sich gar nicht umpflanzen: "Den kriegen wir nicht mehr lebend aus der Erde raus." Dem beschlossenen Ende zum Trotz pflanzte Chef Stein im grünen Freigelände mit dem Luther-Zitat "Wenn morgen die Welt untergeht ..." noch ein Apfelbäumchen. Zu den vielen Schaulustigen dabei zählten auch Grünen-Landeschef Hubert Ulrich und Kommunalpolitiker von FDP und Linken. Der Garten-Förderkreis-Chef, Ex-Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD ), sagte, seine 240 Mitglieder zählende Organisation werde in den nächsten Tagen noch versuchen, Gespräche mit privaten Stiftungen und Sponsoren zu führen, um den Garten zu retten. Aber dafür seien auch mindestens 400 000 Euro Landesmittel notwendig.

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