Reden, aber nicht (nur) über Männer

Saarbrücken · Die Filme beim Ophüls-Festival haben wir uns mal aus einem ganz eigenen Blickwinkel angesehen. Würden die Werke der deutschen Jungfilmer eigentlich den sogenannten Bechdel-Test bestehen, mit dem man nicht nur in Schweden die „Frauenfreundlichkeit“ der Filme überprüfen kann? Eine Stichprobe.

 Ein rührender Film und im Bechdel-Test klarer Favorit: „Und morgen Mittag bin ich tot“. Fotos: Verleih/Ohüls-Festival

Ein rührender Film und im Bechdel-Test klarer Favorit: „Und morgen Mittag bin ich tot“. Fotos: Verleih/Ohüls-Festival

In Schweden haben einige Kinos vor Kurzem den sogenannten Bechdel-Test eingeführt, um Spielfilme zu kennzeichnen, in denen Frauen nicht nur als Beiwerk von männlichen Helden vorkommen.

Der Test, den die US-amerikanische Comic-Zeichnerin Alice Bechdel schon vor über 25 Jahren erfand, stellt nur minimale Anforderungen.

Und trotzdem: Nicht nur Klassiker wie "Casablanca", selbst die meisten neueren Groß-Produktionen, ob mit oder ohne Oscar, von "Pulp Fiction", "Fluch der Karibik", "Herr der Ringe", bis hin zu Harry Potter und "The Artist" erfüllen sie nicht.

Wie aber steht es nun beim deutschsprachigen Filmnachwuchs um die Darstellung der Frauen? Wir haben beim Festival Max Ophüls Preis vier zufällig ausgesuchte Filme dem Bechdel-Test unterzogen. Und waren überrascht. Bei "Poka" kann eigentlich nichts schiefgehen, dachten wir uns. Denn bei diesem Wettbewerbsfilm lagen sowohl das Drehbuch als auch die Regie in den Händen einer Frau.

Anna Hoffman schildert darin, wie zwei vielköpfige Spätaussiedler-Familien von Kasachstan nach Deutschland übersiedeln und ihr neues Leben dort unter schwierigsten Bedingungen beginnen.

Bei so vielen Frauen sollten doch viele miteinander über ihre Sorgen und Sehnsüchte sprechen? Denkste!

Nur einmal spricht die Hauptfigur Lena mit einer Versicherungsfrau über ihren neuen Job und ein paar Mal kurz mit - namenlosen - Bekannten über die Verträge. Ansonsten reden Frauen hier nur mit Männern oder diese unter sich.

Nächster Versuch: "Gefährliche Freundin". Den Film von 1996 drehte mit Hermine Hundgeburth eine als starke Frau gepriesene Regisseurin, und im Zentrum stehen mit Corinna Harfouch und Katharina Thalbach zwei ebenso starke Darstellerinnen. Die beiden haben sich im Film aufs Männerabschleppen kapriziert und tummeln sich vorwiegend in Kneipen. Doch nicht nur hier, sogar am gemeinsamen Arbeitsplatz drängt mindestens ein Mann dazwischen, sobald sie ansetzen, miteinander zu reden. Nur in den Gesprächen, die Harfouch im Frauenknast mit ihrer Zellengenossin führt, ist das andere Geschlecht mal weder Thema noch präsent.

Und nur einmal spricht Thalbach mit ihrer Tochter nicht über deren Umzug zum Freund, sondern über Buchführung.

Neue Hoffnung bei "Und morgen Mittag bin ich tot". In dem Film - des männliches Regisseurs Frederik Steiner - reist die Mukoviszidose-kranke Lea in die Schweiz, um dort ihr Leiden mit Sterbehilfe zu beenden. Die Überraschung: Hier unterhalten sich mit Oma, Schwester, Mutter, Sterbehelferin fast durchweg Frauen mit Lea, und sie ist fast immer das Thema. Nur ganz selten und kurz spricht Lea mal mit Männern. Damit hat Steiners Film den Bechdel-Test fast in jeder Szene übererfüllt.

In "Vergrabene Stimmen" von und mit Numan Acar sieht es genau umgekehrt aus: In diesem Film über einen türkisch-stämmigen Berliner, der aus dem Knast kommt und ins kriminelle Zuhälter-Milieu abrutscht, reden nicht ein einziges Mal zwei Frauen miteinander.

Das liegt bei dem Plot aber auch auf der Hand: In diesem Milieu, in dem die Männer einander und die Prostituierten fertig machen, haben Frauen nichts zu melden.

Da kann auch der schönste Bechdel-Test nichts helfen.

 „Poka“, ein Film von Frauen. Im Bechdel-Test dennoch nicht ganz zufriedenstellend.

„Poka“, ein Film von Frauen. Im Bechdel-Test dennoch nicht ganz zufriedenstellend.

 In „Vergrabene Stimmen“ haben Frauen überhaupt nichts zu melden – was natürlich auch am Thema des Films liegt.

In „Vergrabene Stimmen“ haben Frauen überhaupt nichts zu melden – was natürlich auch am Thema des Films liegt.

Zum Thema:

HintergrundDer Bechdel-Test, den die US-amerikanische Comic-Zeichnerin Alice Bechdel zusammen mit ihrer Freundin Liza Wallace eher im Scherz erfand, besteht aus nur drei Kriterien: Erstens müssen in dem Film mindestens zwei namentlich genannte Frauen vorkommen, die sich - zweitens - miteinander unterhalten und - drittens - über etwas anderes als einen Mann. Ein Film muss mindestens einmal alle drei Kriterien erfüllen, um den Bechdel-Test zu bestehen. Damit ist noch nicht gesagt, dass er "frauenfreundlich"" oder gar feministisch ist. Nach neuesten Untersuchungen schneiden Musikfilme bei diesem Test am besten ab, gefolgt von Horrorfilmen. sbu

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