Privatisierung durch die Hintertür?

Saarbrücken · Oskar Lafontaine wittert Wählertäuschung: Er hält trotz gegenteiliger Bekundungen eine Privatisierung von Autobahnen für möglich. Ein Jura-Professor sieht das genauso. Doch Bund und Land widersprechen.

 Um die Autobahnen – hier die Stadtautobahn A 620 in Saarbrücken – kümmert sich künftig der Bund. Foto: Becker&Bredel

Um die Autobahnen – hier die Stadtautobahn A 620 in Saarbrücken – kümmert sich künftig der Bund. Foto: Becker&Bredel

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Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU ) und die Staatskanzlei-Chefs der 16 Bundesländer haben viel Arbeit vor sich. Schon in Kürze werden sie über die Einzelheiten der neuen Bundesautobahngesellschaft verhandeln, auf die sich Bund und Länder vor einer Woche geeinigt hatten. Nicht nur die Beschäftigten der Straßenbau-Verwaltungen - im Saarland ist dies der Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) in Neunkirchen - warten auf Konkretes. Denn die bisherigen Festlegungen lassen Raum für Spekulationen.

Bund und Länder hatten verabredet, dass Planung, Bau und Unterhaltung der Autobahnen in Deutschland künftig Aufgabe des Bundes sein soll. Bisher zahlt der Bund nur, der Rest ist Sache der Länder. In Zukunft soll sich darum "eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte In frastrukturgesellschaft Verkehr" kümmern. Auch soll im Grundgesetz festgeschrieben werden, dass Autobahnen (im Saarland 240 Kilometer) und Bundesstraßen (300 Kilometer) unveräußerliches Eigentum des Bundes sind.

Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD ) bezeichnete die Aufgabenübertragung zwar als Wermutstropfen. Aber eine Botschaft, sagte sie, sei ganz entscheidend, auch für die LfS-Beschäftigten: Es werde keine Privatisierung geben.

Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine hält ähnliche Aussagen aus der Bundesregierung indes für "Wählertäuschung". Er beruft sich auf Georg Hermes, Professor für öffentliches Recht an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Hermes sagte der "Zeit", die Klausel, auf die sich Bund und Länder geeinigt hatten, ermögliche "eine echte Privatisierung ". Dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen im Grundgesetz festgeschrieben wird, bedeute nicht, dass eine Privatisierung der Infrastrukturgesellschaft ausgeschlossen sei. "So wie die Einigung formuliert ist, könnte der Staat 100 Prozent der Anteile verkaufen", sagte Hermes. Dass das Eigentum des Bundes festgeschrieben werde, hieße nur, "dass der Bund formal noch als Eigentümer im Grundbuch stünde". Planung, Bau, Finanzierung und Erhalt könnten aber an Private übertragen werden. Hermes: "Auch die Erhebung von Mautgebühren durch Private wäre kein Problem." Ähnlich hatte auch die Gewerkschaft Verdi in einem Flugblatt argumentiert.

"Es geht nur darum, Versicherungen wie der Allianz sichere Renditen zu erschließen, weil die Zinsen so niedrig sind", mutmaßte Lafontaine. In der Tat haben große Versicherungskonzerne Interesse bekundet, ihr Kapital in Autobahnen anzulegen. "Wenn der Staat die Rahmenbedingungen schafft, stehen wir bereit", sagte Markus Faulhaber, Chef der Allianz Lebensversicherung, dem "Tagesspiegel" schon im Jahr 2014. Das Unternehmen habe bereits Autobahnen in Irland, Frankreich und Belgien finanziert - und würde dies auch gerne in Deutschland tun. Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) im August 2014 eine Expertenkommission beauftragte, sich Gedanken über eine Stärkung von Investitionen auch in die Verkehrsinfrastruktur zu machen, berief er kaum zufällig auch Vertreter der Versicherer Allianz und Ergo in das Gremium.

Der Bund und die Saar-Regierung halten die Befürchtungen, die Infrastrukturgesellschaft könne privatisiert werden, allerdings für völlig unbegründet. Verkehrsministerin Anke Rehlinger hatte bereits vor einer Woche erklärt: "Es wird, egal welche Gesellschaftsform vereinbart werden wird, eine Eigentümerstruktur geben, bei der 100 Prozent Bund dahintersteht." Als einziges Bundesland hatte das rot-rot-grün-regierte Thüringen in einer dem Beschluss angefügten Protokollnotiz gefordert, das Eigentum des Bundes nicht nur an Autobahnen und Bundesstraßen , sondern auch an der Gesellschaft im Grundgesetz zu verankern.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) versicherte auf Anfrage unserer Zeitung: "Das BMVI plant keine Möglichkeit zur Veräußerung von Anteilen an der Bundesautobahngesellschaft." Die Gesellschaft soll aber die Möglichkeit haben, "für einzelne Projekte im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ÖPP-Verträge zu vergeben und Investoren daran zu beteiligen", erklärte das Ressort von Minister Alexander Dobrindt (CSU ).

Eine ganz andere Idee bringt der Beamtenbund ins Spiel. Landeschef Ewald Linn fordert die Landesregierung in einem Brief auf, sich dafür einzusetzen, dass der Bund die neue Infrastrukturgesellschaft im Saarland ansiedelt. "Bundesbehörden sind im Saarland absolut unterrepräsentiert", so Linn. "Durch die Ansiedlung der geplanten Bundesinfrastrukturgesellschaft im Saarland könnte diese Schlechterstellung gegenüber anderen Bundesländern zumindest teilweise aufgehoben werden."

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