Private steigen in den Rettungsdienst ein

Saarbrücken · Novum in der Notfallrettung im Saarland: Eine Homburger Firma wird künftig die Rettungswache in Erbringen betreiben. Kommen private Unternehmen nach einer Gesetzesänderung künftig noch häufiger zum Zug?

 Für den Rettungsdienst am Boden sind die Kreise zuständig, für die Luftrettung das Land. Foto: ZRF

Für den Rettungsdienst am Boden sind die Kreise zuständig, für die Luftrettung das Land. Foto: ZRF

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Im saarländischen Rettungsdienst sind Hilfsorganisationen und Feuerwehren seit Jahrzehnten unter sich. Von den 34 Rettungswachen betreibt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) 26, der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) drei, der Malteser Hilfsdienst (MHD) und die Saarbrücker Berufsfeuerwehr jeweils zwei und die Feuerwehr der Stadt Neunkirchen eine. Das ändert sich vom 1. Juli an. Erstmals hat eine private Firma, die Ambulanz Frisch aus Homburg, einen Auftrag für die Notfallrettung ergattert. Das Unternehmen gab bei der Ausschreibung für die neue Rettungswache in Beckingen-Erbringen das günstigste Angebot ab und stach DRK, MHD und ASB aus.

Künftig können die Privaten darauf hoffen, noch häufiger zum Zuge zu kommen: Ein Entwurf des Saar-Innenministeriums für ein neues Rettungsdienstgesetz hätte zur Folge, dass die große Mehrzahl der Rettungswachen im Land bis spätestens Ende 2020 öffentlich ausgeschrieben werden müsste. Die bestehenden Verträge müssten dazu gekündigt werden. Bislang ist eine Ausschreibung nur vorgeschrieben, wenn eine neue Wache in Betrieb genommen wird und sich dadurch die Zahl der Rettungswagen (derzeit 49) erhöht - also nicht einfach ein Wagen von einer bereits bestehenden Wache zu der neuen verlagert wird. Das Ministerium begründet die Änderung mit der nötigen Rechtssicherheit infolge von Gerichtsurteilen und eines neuen EU-Vergaberechts.

Der stellvertretende DRK-Landesgeschäftsführer Christian Groß warnt davor, den Entwurf überhastet zu beschließen. Es müsse erst klar sein, welche Folgen dies habe. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg werde der Rettungsdienst vorrangig an Hilfsorganisationen vergeben, das wäre auch im Saarland eine gute Lösung, findet Groß. Ob eine Direktvergabe des Rettungsdienstes rechtlich möglich ist, hängt jedoch davon ab, wie die Bundesrepublik neue EU-Regeln in nächster Zeit in deutsches Recht umsetzt.

Der Rettungsdienst ist Aufgabe der Landkreise und des Regionalverbandes. Über ihren Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) beauftragen sie Organisationen, Kommunen oder Unternehmen mit der Aufgabe. ZRF-Geschäftsführer Bernhard Roth kündigt an, dass künftige Vergabe-Entscheidungen "ausdrücklich nicht nur vom günstigsten Angebotspreis" abhängig gemacht werden, sondern auch - wie es das geplante Gesetz erlaubt - von der Mitwirkung im Katastrophenschutz und im "erweiterten Rettungsdienst". Letzterer kommt zum Einsatz, wenn etwa bei einem Massenanfall von Verletzten der reguläre Rettungsdienst ausgelastet ist, und wird von den Hilfsorganisationen vor allem über ehrenamtliche Helfer abgedeckt. Private haben hier kaum Kapazitäten. Roth sagt, der ZRF werde darauf achten, dass "die anerkannt gute Qualität" des Rettungsdienstes im Saarland erhalten bleibe.

Die Hilfsorganisationen vermuten, dass Private den Wettbewerb nur über geringere Löhne gewinnen können. ASB-Landeschef Guido Jost verweist darauf, dass in der Ausschreibung von Erbringen als Untergrenze der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gefordert worden sei; die Hilfsorganisationen zahlten alle mehr. Laut DRK-Tarifvertrag bekommt ein Rettungssanitäter beim Berufsstart monatlich 2413 Euro brutto, ein Rettungsassistent 2508 Euro. Im Lauf eines Berufslebens steigt das Gehalt um maximal 700 Euro. "Darunter darf man nicht gehen", sagt DRK-Rettungsdienst-Experte Groß, man dürfe den Wettbewerb nicht "auf dem Rücken der Mitarbeiter" austragen.

Dass dies passiert, bestreitet Thomas Frisch, der Geschäftsführer der Ambulanz Frisch. Für die Wache in Erbringen habe er auch ehemaliges, langjähriges Personal von Hilfsorganisationen unter Vertrag genommen. "Dies wäre sicher nicht möglich gewesen, wenn die Entlohnung schlechter wäre", so Frisch. Auch setze er keine Ehrenamtlichen und Freiwilligen ein.

Vor dem Hintergrund von Erbringen wird derzeit grundsätzlich über Private im Rettungsdienst diskutiert. DRK-Mann Groß warnt vor rein wirtschaftlichem Denken. "Das Patientenwohl muss immer im Vordergrund stehen. Es darf bei der Patientenversorgung vor Ort nicht zur Abwägung von Kosten und Nutzen beim Einsatz von Medikamenten, Infusionen oder sonstigen Dingen kommen - das wäre sicherlich die Folge."

Unternehmer Frisch sieht diese Gefahr nicht. "Es gibt keinen Grund, einem Patienten eine notwendige Maßnahme vorzuenthalten. Keinesfalls wird ein Patient eine schlechtere Behandlung erfahren, als es bei anderen Organisationen der Fall ist." In Erbringen, sagt er, wolle sein Unternehmen beweisen, "dass wir es genauso gut können wie die Hilfsorganisationen".

Zum Thema:

Auf einen BlickPrivate Unternehmen sind im Saarland bislang nur im Krankentransport tätig. Die Krankentransportwagen bringen zum Beispiel kranke oder bettlägerige Patienten, die nicht mit einem Taxi fahren können, zu Behandlungen in eine Klinik. Das Geschäft teilen sich im Saarland fünf private Firmen - die größte ist die Homburger Ambulanz Frisch mit ihren 20 markanten gelben Krankentransportwagen - und die Hilfsorganisationen/Feuerwehren je zur Hälfte. Im Rettungsdienst spielen private Unternehmen im Saarland bislang keine Rolle. In anderen Bundesländern ist das zum Teil anders. So gewinnt zum Beispiel der dänische Konzern Falck seit Jahren Marktanteile.kir

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