Politik ist vor allem in Sulzbach Frauensache

Regionalverband · Im Saarland beträgt der Anteil der Frauen in den kommunalen Parlamenten nur 20 Prozent. Ein Parité-Gesetz wie in Frankreich könnte das ändern, meinen Vertreterinnen des Deutschen Juristinnenbundes und des saarländischen Frauenrats.

 Politikerinnen in der ersten Reihe (v.l.): Anne Hauptmann, Silke Biendel, Petra Messinger, Karin Burkart und Denise Klein. Fotos: Jung, Jenal, rup, Messinger, Maurer

Politikerinnen in der ersten Reihe (v.l.): Anne Hauptmann, Silke Biendel, Petra Messinger, Karin Burkart und Denise Klein. Fotos: Jung, Jenal, rup, Messinger, Maurer

In Sulzbach wird die Politik fast zur Hälfte von Frauen gemacht. Von 33 Mitgliedern des Stadtrats sind 15 Frauen. Damit liegt die Stadt weit über dem Landesdurchschnitt. Ganz anders in Heusweiler: Dort beträgt der Anteil der Frauen im Gemeinderat nur magere 18,1 Prozent. Niedrigster Wert im Regionalverband.

Wie machen die Sulzbacher das? Absolute Spitze ist die SPD-Fraktion: Sechs von acht Mitgliedern sind weiblich. "Wir besetzen unsere Liste nach dem Reißverschlussverfahren, jeweils ein Mann und eine Frau. Bisher haben wir auch kein Problem, genügend Frauen zu finden, die sich im Stadtrat engagieren wollen", sagt Fraktionschefin Silke Biendel. Dass sogar drei Viertel der Fraktionssitze im Stadtrat von Frauen besetzt sind, erkläre sich durch das Nachrückeverfahren. Es seien in der laufenden Legislaturperiode einfach mehr Männer ausgeschieden und Frauen nachgerückt. Eine andere Erklärung hat Petra Messinger, Frauenbeauftragte der Stadt Saarbrücken: "In Sulzbach hat es Tradition, dass die Frauen in der SPD sehr stark sind." Das wirke als Vorbild für andere Frauen, sich auch in der Politik zu engagieren.

Auch im Saarbrücker Stadtrat sind viele Frauen aktiv. 23 von 63 Ratsmitgliedern sind weiblich. Das ist ein Anteil von 36,5 Prozent. Den Spitzenplatz belegt hier die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Von sieben Abgeordneten sind vier Frauen. Fraktionschefin Karin Burkart: "Wir finden immer genügend Frauen für den Stadtrat. Wir sehen aber auch, dass es jüngeren Frauen schwerer fällt, sich zeitlich zu koordinieren und zu organisieren."

Die Ortsverbände der Parteien in Heusweiler tun sich schwerer damit, genug Frauen für die Arbeit im Gemeinderat zu gewinnen. Im ganzen Rat mit seinen 33 Mitgliedern sitzen lediglich sechs Frauen. Bei der CDU-Fraktion sind zwei von zwölf Abgeordneten weiblich. Eine davon ist Hiltrud Heimes-Vogel. "Wir haben einfach wenig Frauen, die sich wirklich für politische Aktivitäten interessieren." Haushalt und Kinder seien in den Familien oft Frauensache. "Da hat sich ja nicht sehr viel geändert", meint die Politikerin. "Da sind die Sitzungszeiten sehr ungünstig."

Denise Klein, seit zehn Jahren SPD-Fraktionsvorsitzende in Püttlingen und seit 21 Jahren Stadtratsmitglied, sieht die Doppelbelastung von Familie und Beruf auch als Hauptgrund, warum Frauen der aktiven Politik fernbleiben. Besonders in der ländlichen Region. "Viele Frauen arbeiten in den Parteien mit und sind engagiert. Wenn es aber darum geht, sich in vorderster Reihe zu positionieren, sind sie noch sehr zurückhaltend, " erläutert Klein. Denn die Arbeit als Kommunalpolitikerin sei ehrenamtlich, zeitraubend und sehr anstrengend. In ihrer SPD-Fraktion sind zwei der elf Mitglieder weiblich.

Ähnlich sieht es auch Anne Hauptmann. Sie ist seit 1989 im Friedrichsthaler Gemeinderat aktiv, eine von nur noch vier Frauen in der elfköpfigen SPD-Fraktion und seit 1994 Beigeordnete. "Wir hatten Ende der 90er Jahre 50 Prozent Frauen in unserer Fraktion", schildert sie die Entwicklung. Der Rückgang liege vor allem an der beruflichen Situation der Frauen beziehungsweise an der Doppelbelastung von Beruf und Familie, vor allem wenn die Kinder noch klein sind. Trotzdem wünscht sie sich mehr Frauen in der Politik. Denn, sagt Hauptmann: "In der Kommunalpolitik kann man viel für die Bürger erreichen."

Obwohl Frauen die Hälfte der Bevölkerung darstellen, beträgt ihr Anteil in den saarländischen Stadt- und Gemeinderäten nur 20 Prozent. Um diese chronische Unterrepräsentanz zu beheben, fordern der Deutsche Juristinnenbund sowie der Frauenrat im Saarland ein Gesetz zur paritätischen Besetzung von Wahllisten mit Frauen und Männern nach französischem Vorbild. In Frankreich existiert ein solches Parité-Gesetz bereits seit 2000. Der Frauenanteil in den französischen Kommunalparlamenten stieg dadurch auf 48,5 Prozent.

Mit den bisherigen Erfahrungen rund ums Paritäts-Gesetz in Frankreich, den Plänen zu seiner Einführung in Baden-Württemberg und den juristischen Möglichkeiten dafür auch im Saarland befasste sich jetzt eine große Saarbrücker Podiumsdiskussion im Rahmen des Frauenthemenmonats. Veranstaltet haben sie der Landesfrauenrat, der Juristinnenbund und das Frauenbüro der Landeshauptstadt im Restaurant des Saar-Landtags. Miteingeladen hatten die Frauen der CDU- und der SPD-Landtagsfraktion. Auch Sozial-Staatssekretärin Gaby Schäfer (CDU) sprach sich in ihrem Grußwort aus für eine Quote und Justiz-Staatsekretärin Anke Marsch (SPD) hörte im voll besetzten Saal aufmerksam zu.

Das französische Parité-Gesetz, das den gleichberechtigten Zugang von Frauen zu Wahlämtern fördert, schreibt bei allen Listenwahlen den Parteien zwingend eine 50-Prozent-Quote vor. Die Befürchtung, es fänden sich zu wenige Kandidatinnen, habe sich nicht bestätigt, berichtete Michèle Vianes vom französischen Frauenverband "Regard des femmes". Nicht nur in den kommunalen Parlamenten, auch in denen der Regionen und der EU betrage der Frauenanteil über 40 Prozent.

Ohne Sanktionen funktioniere es aber nicht, betonte Silke Laskowski, Professorin für öffentliches Recht aus Kassel. Das zeigten die Wahlen zum Nationalparlament, wo die Parteien die Möglichkeit nutzten, sich von der Quote "loszukaufen". In Baden-Württemberg, wo die Regierung die Quotenregelung im Kommunalrecht verankern will, jedoch nur als "Soll"-Bestimmung, ohne Sanktion, gebe es daher noch viel Diskussionsbedarf, erfuhr man von Claudia Sünder von Baden-Württembergs Landesfrauenrat.

Anders als in Frankreich sei in Deutschland für ein Parité-Gesetz noch nicht einmal eine Verfassungsänderung nötig, betonte die Juristin Laskowski, auch wenn manche Gutachten das Gegenteil behaupteten. Vielmehr werde es durch die "staatliche Förderpflicht zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichstellung von Männern und Frauen" gedeckt, die seit 1994 in Artikel 3, Absatz 2 Satz 2 im Grundgesetz stehe.

Auch mit der saarländischen Verfassung sei es vereinbar. "Sie formuliert explizit, dass diese Verpflichtung auch die Gemeinden betrifft", so Laskowski. Man bräuchte also nur ein einfaches Gesetz, das das saarländische Parlament mit Leichtigkeit auf den Weg bringen könnte, bekräftigt die Juristin. Dafür brauche man wiederum nur den politischen Willen und wahrscheinlich ein paar "mutige Frauen".

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