Plan B für neue Wohnungen

Lebach/Saarbrücken · Der Wohnraum für Flüchtlinge wird knapp. Der Innenminister denkt jetzt über Flüchtlingswohnungen in Gewerbegebieten nach. Er will zudem Flüchtlinge ausfindig machen, die mit Tricks ihre Abschiebung verhindern.

Die Belegung von Turnhallen und Gemeindesälen mit Flüchtlingen wird immer wahrscheinlicher. Zwar reichen die Wohnungen in den Kommunen derzeit noch aus. Doch neue Zahlen des Innenministeriums zeigen, dass sich dies bereits bald ändern könnte. Demnach sind derzeit rund 5000 Flüchtlinge in den Kommunen untergebracht. Es gibt noch knapp 900 freie Plätze - allerdings werden jeden Monat 1000 Flüchtlinge aus der Landesaufnahmestelle auf die Kommunen verteilt.

Nach Angaben von Innenminister Klaus Bouillon (CDU) werden pro Jahr rund 2500 Wohnungen benötigt. Bei 20 000 Leerständen im Land müsse das doch möglich sein. Unablässig wirbt er für die Förderprogramme des Landes, es gebe zehnjährige Mietgarantien und Mietzuschüsse. "Wir können es noch schaffen", sagt er. Doch die Zweifel sind bei ihm nicht mehr zu überhören.

Seine Beamten arbeiten deshalb an einem Plan B. Der sieht so aus: Die Städte und Gemeinden verkaufen schnell freie Flächen in ihren Industrie- und Gewerbegebieten an private Investoren, und die errichten dort Flüchtlingsheime oder Wohnblocks. Sein Ministerium stelle derzeit zusammen, welche Gebiete infrage kommen. "Ich werde das den Bürgermeistern vorschlagen", so Bouillon. Er selbst werbe bei privaten Bauträgern. "Es gibt kein besseres Geschäft, so komisch das klingt."

Der Familiennachzug wird die Wohnungsnot seiner Einschätzung nach noch verschärfen. Rund 70 Prozent der Flüchtlinge kämen allein ins Saarland, viele von ihnen würden nach der Anerkennung wohl ihre Familien nachholen. "Aus einem werden vier", sagt Bouillon.

Eine kurzfristige Entlastung erhofft sich Bouillon durch mehr Abschiebungen. Nach Angaben der Ausländerbehörde sind derzeit 955 abgelehnte Asylbewerber ausreisepflichtig. Bouillon schätzt jedoch, dass rund ein Drittel davon eine Krankheit simuliert und sich von einem Arzt hat bescheinigen lassen, nicht reisefähig zu sein. Bouillon will diese Bescheinigungen nun von Amtsärzten überprüfen lassen. Er werde die Landräte bitten, dass die Ärzte ihrer Kreisgesundheitsämter die betreffenden Flüchtlinge untersuchen.

In der Landesaufnahmestelle kehrt unterdessen langsam so etwas wie Normalität im Ausnahmezustand ein. Die Flüchtlinge, die bislang in kleinen Zelten des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) campierten, sind in eine große winterfeste Halle gezogen. Eine zweite Halle soll in Kürze bezugsfertig sein, zusammen sollen beide Hallen knapp 900 Menschen Platz bieten. In dieser Woche soll mit dem Bau einer dritten Halle begonnen werden, die den Flüchtlingen vor allem als Aufenthaltsort dienen soll.

Das DRK, das seit Ende Juli mit bis zu 100 ehrenamtlichen Helfern pro Tag im Einsatz war, wird sich nach jetzigem Stand bis Ende September weitgehend zurückziehen. Das Land hat inzwischen - auch auf Wunsch der ehrenamtlichen Helfer - Aufgaben wie die Erstregistrierung der Flüchtlinge, die Bettenzuweisung oder die Essensausgabe mit eigenem Personal übernommen und dazu Polizisten und Verwaltungsbeamte nach Lebach abgeordnet. Mit der Warmverpflegung wurde ein Caterer beauftragt. Weil inzwischen auch eine feste Arztpraxis ihren Betrieb aufgenommen hat, soll auch die Sanitätsstation des DRK nach einer Übergangszeit zum Monatsende schließen.
Bundeswehr bereit zur Hilfe in Lebach

Die Bundeswehr wird im Bedarfsfall Sanitäter zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in die Landesaufnahmestelle in Lebach schicken. Seit Samstagabend, 18 Uhr, stehen sechs Sanitätssoldaten in Rufbereitschaft zur Verfügung, um die Helfer bei Bedarf zu unterstützen, wie das Landeskommando der Bundeswehr auf SZ-Anfrage mitteilte.

Angesichts der aktuellen Entwicklung in Ungarn, Österreich und Deutschland habe die Bundeswehr seit dem Wochenende nach "kurzfristigen und auch temporären Möglichkeiten der verstärkten Unterstützung bei der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingswelle" gesucht. Innenstaatssekretär Christian Seel (CDU ) habe daraufhin einen mündlichen Antrag auf Amtshilfe an das Landeskommando in Saarlouis gerichtet.

Eine Prüfung der Ressourcen in der Luftlandebrigade 1 habe ergeben, "dass eine kurzfristige und zeitlich begrenzte sanitätsdienstliche Unterstützungsleistung (. . .) derzeit bei Bedarf und in dieser besonderen Situation erbracht werden kann", so das Landeskommando.

Die Ablehnung des bisherigen Amtshilfeantrags nach sanitätsdienstlicher Unterstützung in Lebach im Schichtbetrieb, rund um die Uhr und für einen längeren Zeitraum bleibe davon jedoch unberührt.

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