Plackerei im Dienst der Kunst

Saarbrücken · Beim Festival Perspectives wird es am Freitag zischen und scheppern, es werden Männer schwitzend Stahlträger bewegen. Die Gruppe Osmosis um den Choreografen Ali Salmi erbaut eine „Cathédrale d'Acier“, eine Stahlkathedrale.

 Spektakuläre Bilder sind zu erwarten, wenn die Gruppe Osmosis ihre Industriekathedrale baut. Fotos: Arnaud Martin

Spektakuläre Bilder sind zu erwarten, wenn die Gruppe Osmosis ihre Industriekathedrale baut. Fotos: Arnaud Martin

Als "Industriekathedralen" bezeichnen wir sie heute gern, die alten Bauwerke der Stahlindustrie, die nicht nur in ihrer Größe, auch in ihrer architektonischen Sprache Anleihen an den Kirchenbau haben. Wenn Ali Salmi sein neues Tanztheaterstück "Cathédrale d'Acier" nennt, geht es ihm aber nicht um das Gebäude. Der Choreograf, der ursprünglich mal Architektur und Ingenieurwesen in Nancy studierte, bevor er das Tanzen vorzog, interessiert sich vielmehr für die Arbeit, die Menschen in den diesen "Stahlkathedralen" geleistet haben.

Ähnlich wie die deutsche Gruppe Rimini Protokoll mit ihrem Dokumentar-Theater will der Franzose mit seinen Tanzstücken etwas über die "reale Welt" erzählen. Migration, der Mensch als Handelsware, als Kriegsflüchtling sind einige der Themen, die er erforscht und mit der für den jeweiligen Zweck neu zusammengestellten Compagnie Osmosis umgesetzt hat. Nie im Theater: Ihre Bühne ist der Asphalt.

Beim Festival Perspectives haben sie sich für ihren Auftritt das Ausbesserungswerk Burbach als Kulisse ausgesucht. Jetzt, da im lothringischen Florange die Hochöfen abgebaut werden, die Stahlproduktion zunehmend in die Schwellenländer verlagert wird, ist es für den in Forbach lebenden Salmi höchste Zeit, die Arbeitswelt der Stahlarbeiter noch mal zu beleuchten.

Zwei "Ehemalige" bringt er dafür als seine "Experten des Alltags" mit zwei Tänzern zusammen. Marcel Rammler, einen 60-Jährigen Lothringer, der seit seinem 14. Lebensjahr als Arbeiter alle Bereiche der Stahlhütte durchwandert hat und den Wandel vom Handarbeiter zum "Knöpfchendrücker" miterlebte. Und Choon Man, der auf der größten Werft der Welt, bei Hyundai Heavy Industries in Südkorea schuftete und heute Industriefotograf ist.

"Eine Stunde lang werden wir auf der Bühne versuchen, gemeinsam etwas aufzubauen", sagt Salmi. Einen ganzen "Wald" von Stahlträgern werden sie dafür bewegen, mit ihren Händen und einem Industriekran. "Die Arbeiter werden schweißen, es wird alles andere als Pantomime", betont der Choreograf, der auch mittanzt. Die Härte der Arbeit wollen sie vermitteln, die Würde, die Menschlichkeit, die Solidarität. Denn die Plackerei, so Salmi, schweiße zusammen, zu einer Art Familie. Zwischen der Welt der Stahlarbeiter und der Tänzer sieht "er durchaus Verwandtschaften: Sie schmieden den Stahl, wir unsere Körper".

 Ali Salmi bringt Tänzer und Stahlarbeiter zusammen.

Ali Salmi bringt Tänzer und Stahlarbeiter zusammen.

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Auf einen Blick "Cathédrale d'Acier" wird am Freitag, 30. Mai, 22 Uhr, auf dem Gelände des Ausbesserungswerks Burbach aufgeführt. Der Eintritt ist frei. Vom Festival wird ein kostenloser Shuttlebus angeboten, der an der Schlossmauer abfährt. Reservierung dafür ist obligatorisch unter ticket@festival-perspectives.de oder Tel. (06 81) 95 80 78 65. red

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