„Piraten-Fraktion wird es nicht mehr geben“

Am 26. März 2017 wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Ein Jahr vorher spricht die SZ mit Spitzenvertretern der Parteien über die Ausgangslage. Heute: SZ-Redakteur Johannes Schleuning im Gespräch mit Michael Hilberer, Fraktionsvorsitzender der Piraten.

 Michael Hilberer sieht die Piratenpartei nach der Wahl nicht mehr im Landtag. Foto: becker&bredel

Michael Hilberer sieht die Piratenpartei nach der Wahl nicht mehr im Landtag. Foto: becker&bredel

Foto: becker&bredel

Herr Hilberer, über ein Jahr vor der Landtagswahl 2017 haben alle drei Landtagsabgeordneten der Piraten bekanntgegeben, dass sie nicht wieder antreten werden. Ist das Piraten-Projekt "Klarmachen zum Ändern!" nach einem fulminanten Auftakt mit 7,4 Prozent bei den Wahlen 2012 nach nur einer Legislaturperiode grandios gescheitert?

Hilberer: Nein, wir sind sehr zufrieden mit unserer Arbeit in der Fraktion. Wir glauben, dass wir hier einen guten Job machen. Allerdings hat sich der Parteiaufbau deutlich schwieriger gestaltet, als wir dachten.

Was macht den Parteiaufbau so schwierig?

Hilberer: Es fehlt eine programmatische Weiterentwicklung. Als Partei muss ich über eigene Positionen ein klares Bild von meinen Zielen entwickeln. Die Piratenpartei aber hat sich in den vergangenen zwei Jahren zu sehr mit inneren Flügelkämpfen beschäftigt, und dabei sind uns unglaublich viele Leute verloren gegangen, die wir nicht ersetzen können. Und unsere besten Leute waren in den Aufbau der Fraktionen eingebunden, da haben wir viel Energie reingesteckt, und diese Leute haben uns in dieser Zeit in der Partei gefehlt. Es ist uns am Anfang auch nicht gelungen, ein beständiges Personal im Landesverband zu etablieren und so eine verlässliche Struktur aufzubauen. Auch haben wir uns aus ideologischen Gründen am Anfang mit der Verzahnung von Partei und Landtagsfraktion sehr schwer getan, aufgrund der Basisdemokratie. Die Fraktion muss ein Motor für die Landespolitik sein und als solches auch in die Partei hineinwirken. Im Rückblick betrachtet würde ich das heute anders machen.

Wird jetzt die Piraten-Fraktion bis zum Ende der Legislaturperiode nur noch abgewickelt?

Hilberer: Nein. Unser Anspruch ist es, bis zum Ende der Legislaturperiode unsere Arbeit auf höchstmöglichem Niveau zu machen. Das heißt, wir werden weiterhin Einfluss auf die Landespolitik nehmen. Und wir haben auch in den vergangenen vier Jahren starken Einfluss auf die Landespolitik genommen. Etwa in puncto Gleichstellung, die haben wir immer wieder auf die Tagesordnung gebracht, etwa unser angenommener Antrag zur Blutspende von Homosexuellen. Auch beim Breitbandausbau - ein Ziel, das inzwischen sogar bei der Regierung fest verankert ist. Und in Sachen Transparenz: Wir waren die ersten, die unsere Nebeneinkünfte komplett offengelegt haben, und jetzt wird wenigstens das System des Bundestages im saarländischen Landtag eingeführt. Diese Legislaturperiode trägt auch unsere Handschrift mit.

Dennoch: Sie machen Ihre Arbeit nur noch zu Ende. Letztlich wird die Fraktion abgewickelt . . .

Hilberer: Es wird in der nächsten Legislaturperiode keine Piraten-Fraktion mehr geben. Da machen wir uns nichts vor. Das heißt nicht, dass wir unsere Arbeit einstellen. Wir haben einen Wählerauftrag.

Glauben Sie, dass die etablierten Parteien ernsthafte Veränderungen im Saarland erreichen können?

Hilberer: Wohl eher nicht. Die Landespolitik im Saarland hat sich in einer bequemen Abwärtsspirale eingerichtet. Wir haben immer weniger Geld, die Infrastruktur zerfällt, wir investieren zu wenig in Bildung und wir sind immer weniger Menschen. Dies ist eine Abwärtsspirale, die sich immer weiter nach unten dreht und die Situation immer weiter verschlechtert. Ich möchte da aktiv ausbrechen, und dazu brauche ich für junge Menschen eine Perspektive. Wir brauchen Zuwanderung, damit das Saarland wächst. So hatten wir im vorigen Jahr erstmals wieder eine wachsende Bevölkerung. Aber die Landespolitik schafft es nicht, aus dem Schrumpfungsgedanken rauszukommen. Die Schuldenbremse ist ein großes Hindernis auf diesem Weg. Es wird nicht gefragt, was ist eine wichtige Zukunftsinvestition, sondern es wird insgesamt zusammengestrichen. Und sie blockiert Fragen, etwa wie durch heutige Investitionen ungleich höhere Zukunftskosten verhindert werden können. Hinzu kommt, dass die etablierten Parteien in unzählige Abhängigkeiten verstrickt sind, deswegen wird das nichts mit Reformen in unserem Land. Bei einer großen Koalition ist dies am Schlimmsten, deswegen ist sie das Schlechteste, was unserem Land passieren kann.

Teilen Sie die Einschätzung der Grünen-Fraktion , dass das Erstarken der AfD nur ein ebenso kurzes Zwischenspiel sein wird wie das der Piratenpartei ?

Hilberer: Das hängt davon ab, wie die Führungskräfte der AfD jetzt mit der Situation umgehen. Wir Piraten hätten vermutlich mehr Erfolg gehabt, wenn wir - statt uns auf eine konstruktive Arbeit im Landtag zu konzentrieren - ein reines Dagegen-Programm gemacht hätten. Das macht die AfD. Da ist keine Sacharbeit, wenig Anträge und Anfragen, nur Phrasen dreschen. So kann sie sich vielleicht als dauerhafte Protestpartei festsetzen. Gut für das politische System wäre das nicht, und es bringt nichts. Möglich ist aber auch, dass sich die AfD durch innere Interessenskonflikte selbst zerlegt. Der Demokratie wäre das nur zu wünschen.

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