"Sebastian Kneipp war überzeugt, dass man mit Wasser vieles heilen kann, und er hat recht gehabt", sagt Altenpflegerin Beate Kallenborn vom Saarbrücker Seniorenzentrum Winterberg. Die Einrichtung, in der etwa 150 Menschen leben, macht sich die Lehre des bayerischen Pfarrers und Wassertherapeuten Kneipp (1821 bis 1897) in der täglichen Betreuung und Freizeitgestaltung zunutze, sie ist nach Worten der saarländischen Kneipp-Bund-Vorsitzenden Andrea Pielen aus Saarbrücken die erste ihrer Art im Saarland, die sich sogar Kneipp-zertifizieren lässt. Das Verfahren dauert zwei Jahre und ist vor drei Monaten angelaufen.

Drei Personen sind auf dem Winterberg dafür verantwortlich, dass der Kneippsche Geist und seine fünf Elemente einer gesunden Lebensführung durch die acht Stockwerke des Hauses wehen - und durch das Gelände, wo ein Barfußpfad angelegt ist, wo Küchenkräuter angebaut werden und wo mit Tautreten der Kreislauf in Schwung gebracht wird. In den Bädern sind Utensilien für Wassergüsse und Massagen vorhanden.

Neben Beate Kallenborn hat auch die Beschäftigungstherapeutin Miriana Steinmetz eine 40-stündige Schulung in der Kneipp-Akademie in Bad Wörishofen absolviert, um als sogenannte "Gesundheitsmentorinnen" tätig sein zu können. Das Trio wird durch die Ergotherapeutin Dorothee Meyer vervollständigt.

Wie die Kneipp-Expertinnen vom Winterberg berichten, war die Ausbildung intensiv und fordernd. Bei aller Klarheit und Verständlichkeit der Kneippschen Prinzipien sei es aber gerade bei älteren, kranken und dementen Menschen wichtig, genau das Richtige im angemessenen Maß anzuwenden, also keinen zu überfordern. Dann stellten sich schon nach kurzer Zeit eine Verbesserung des Immunsystems und des Wohlbefindens ein. Nach sechs Wochen könne man sogar beobachten, dass Wassergüsse Linderung bei Arthrose im Knie brächten, versichert Miriana Steinmetz.

Fragt sich nur, warum dieser so viel versprechende und - im Verhältnis zu Tabletten - sehr günstige "Kneipp" nicht schon viel früher Einzug in unsere Pflege- und Wohnheime hielt, sondern sich erst wieder neu etablieren muss.

Die Frauen haben zwei Erklärungen: Erstens sei Kneipp im Vergleich zu Pharmaentwicklungen und Medizintechnik vielleicht zu lange als "unspektakulär" in Vergessenheit geraten (manche sagen, Kneipp sei "nicht sexy genug"). Zweitens verlange er dann wiederum doch mehr Aufwand als die Einnahme einer Tablette, mache Arbeit. Die werde dann aber reich belohnt.

Die fünf Wirkprinzipien nach Sebastian Kneipp:

1. Wasser: Mit Wasseranwendungen werden über die Haut Temperaturreize vermittelt, die im Körper positive Reaktionen auslösen. Sie stärken die Abwehrkräfte und wirken ausgleichend und belebend auf Herz/Kreislauf und Nervensystem.

2. Bewegung: Körperliche Bewegung schafft Ausgleich, baut Stress ab und führt zu geistiger Entspannung. Je nach Konstitution kann man mit Schwimmen, Radfahren, Wandern oder Gymnastik Herz und Kreislauf stärken. Gleichzeitig wird der Muskelaufbau gefördert und der Bewegungsapparat fit gehalten.

3. Heilpflanzen: Die Pflanzenkunde nach Sebastian Kneipp beruht auf einem überlieferten Erfahrungsschatz. Und dank neu geschaffener Nachweisverfahren und intensiver Forschung kann jeder Heilkräuter erfolgreich zur Vorbeugung und zur Heilung verschiedenster Beschwerden einsetzen. Die Kräfte der Natur bringen Körper und Seele ins Gleichgewicht.

4. Ernährung: Mit gesunder Ernährung können Krankheiten vermieden werden. Ernährung nach Kneipp bedeutet eine ausgewogene, naturbelassene Vollwertkost. Obst und Gemüse, Vollkorn- und Milchprodukte versorgen den Körper mit reichlich Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen.

5. Ordnung: Kneipp war die Ganzheitlichkeit und die Einheit von Körper, Geist und Seele für seine Gesundheitsbildung wichtig. Dies bedeutet, einen Ausgleich zu schaffen und Ruhe und Muße zu finden. Entspannungstechniken helfen dabei, seelisch stabil zu werden und Ordnung im Lebensrhythmus zu finden.