"Noch immer ist Sexualität bei Menschen mit Behinderung ein Tabuthema", sagt Sandra Scheid (30), Sozialpädagogin bei der "Gemeinnützigen Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit (GPS)" und Projektleiterin der "Schatzkiste Saarbrücken". "Wir stehen bei den Themen Sex und Partnerschaft noch ganz am Anfang. Aber es ist doch klar, dass sich Menschen mit Beeinträchtigungen auch nach Liebe sehnen." Die "Schatzkiste" sei "so etwas wie eine ganz gewöhnliche Partnerbörse, nur eben für Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen". Scheid gibt Anschubhilfe beim Kennenlernen, vereinbart Termine und führt Menschen zusammen, die sich im Alltag sonst nicht begegnen würden.

Anders als bei Partnerbörsen im Internet erklären Suchende Scheid bei einem persönlichen Gespräch, welche Interessen sie haben, wie es mit der Mobilität aussieht - "manch einer kann eben nicht einfach in den Bus steigen, weil die Beeinträchtigung es nicht zulässt", was sie sich von ihrem Partner wünschen, welche Gemeinsamkeiten sie suchen. Ein Computerprogramm, das filtert, wer zu wem passt, braucht Scheid dafür nicht: "Vieles ist einfach Bauchgefühl. Ich merke im Gespräch, wer zu wem passt". In ihrer Kartei sind 150 Menschen gelistet: "Das ist ein guter Schnitt. Weil wir nicht nur städtisch agieren, sondern saarlandweit."

Vor über 20 Jahren entstand das Projekt "Schatzkiste" in Hamburg. Heute gibt es 36 deutsche Städte, die die Partner- und Kontaktbörse für Menschen mit Behinderungen anbieten. Die Saarbrücker "Schatzkiste" läuft bereits seit vier Jahren unter der Regie von GPS. "Die Kontaktvermittlung ist bei uns kostenlos. Unsere Kunden sind ganz unterschiedlich. Nicht nur, was die Beeinträchtigungen angehen, sondern auch das Alter: Zwischen 18 und 70 Jahren ist alles dabei. Zwei Drittel sind Männer, ein Drittel Frauen. Nicht immer suchen die Menschen feste Partnerschaften, sondern oft einfach nur Freundschaften", sagt Scheid.

Zwischen 20 und 30 Paare führt sie pro Jahr zusammen: "Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn daraus ein Kontakt entsteht. Wenn sie telefonieren, sich über Facebook schreiben oder sich einfach mal unverbindlich treffen." Denn eines, sagt sie, müsse man bedenken: "Menschen mit Beeinträchtigungen hängen oftmals in einem starren System fest: Bei geistig behinderten Menschen ist es beispielsweise so, dass sie in einen Kindergarten der Lebenshilfe gehen, danach in eine Schule für Behinderte wechseln und dann in einem Werk arbeiten." Doch für Menschen mit Behinderungen gelte auch, dass es wichtig ist, den eigenen Radius zu erweitern: "Nicht nur wegen der Liebe. Neue Begegnungen tun gut. Rauskommen aus dem engen Umfeld ist wichtig."

An das Programm gekoppelt sind deshalb auch die Veranstaltungen "Schatzkisten-Café", das drei- oder viermal im Jahr zu einem lockeren Beisammensein einlädt, und die "Come Together Partys" in der Garage, die Menschen mit und ohne Behinderung zum Flirten animieren. "Da gibt's die Love Angel Aktion: Wir von der ,Schatzkiste' sind die Love Angels und helfen beim ersten Kontakt. Die Leute können sich Briefchen schreiben. Eine Pinnwand ist aufgestellt, wo man seine Botschaft hinterlassen kann. Wir unterstützen beim Ausfüllen, lesen vor oder schreiben auch auf." Bis vor kurzem wurde Scheid bei der "Schatzkiste" von zwei Ehrenamtlern und einem FSJler, der demnächst ausscheidet, unterstützt. "Aber es wäre toll, wenn sich wieder jemand finden würde, der mir beim Planen und Organisieren hilft."

Come Together Party, After Work Party für Menschen mit und ohne Behinderung, Donnerstag, 22. Mai, ab 19 Uhr, Garage Saarbrücken.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie "Schatzkiste Saarbrücken", Kontakt- und Partnervermittlung für Menschen mit Behinderung, sucht ehrenamtliche Helfer. Kontakt: Martin Klewitz-Haus, Johannisstraße 23 in Saarbrücken, Sandra Scheid, Tel. (06 81) 93 80 30, E-Mail: schatzkiste@gps-srp.de. ceggps-srp.de