Ohne Kunst kein Leben

Saarbrücken · Zwischen düster und witzig bewegt sich die Videokunst von Sanchirchimeg Vanchinjav. Mit ihren Werken hat die HBK-Studentin jüngst zwei Preise gewonnen, doch die gebürtige Mongolin bleibt bescheiden.

 Die Videokünstlerin Sanchirchimeg Vanchinjav studiert an der Hochschule für Bildende Kunst. Foto: Oliver Dietze

Die Videokünstlerin Sanchirchimeg Vanchinjav studiert an der Hochschule für Bildende Kunst. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

In ihrer Videokunst, sagt Sanchirchimeg Vanchinjav (31), pendle sie zwischen zwei Gemütszuständen: Mal seien ihre Arbeiten düster, mal seien sie witzig. Ein Spannungsfeld, das der Kunsthochschul-Studentin jüngst gleich zwei Preise einbrachte. Mit ihrem Kurzfilm "Unkown tale - Tanihgui negen domog" gewann die gebürtige Mongolin beim Videoholica 2013, einem internationalen Video-Art-Festival in Varna (Bulgarien), den ersten Preis, genauso wie beim Luxemburger Videokunst Festival D'Konschtkëscht. Der Erfolg steigt ihr aber nicht zu Kopf. Sie muss erst nachdenken, wo sie zuhause ihre Trophäen drapiert hat: "Ich glaube, sie stehen irgendwo im Regal", antwortet sie schmunzelnd.

Will man in ihrem Leben - wie in ihrer Kunst - Gegenpole finden, wird man schnell fündig: Bevor sie 2006 nach Deutschland kam, lebte sie in der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator, machte an der "Mongolian University of Science and Technology" als Jahrgangsbeste den Bachelor in Betriebswirtschaftslehre. "Doch das war nichts für mich, nicht fürs ganze Leben", sagt sie rückblickend. Stattdessen besinnt sie sich, dass sie "eigentlich schon immer gemalt und gezeichnet" hat. Ihre Eltern fanden zunächst, dass "eine Künstlerin in der Familie" - ihre ein Jahr ältere Schwester ist Bühnenbildnerin am Berliner Opernhaus - reicht. Doch Vanchinjav fand: Ohne Kunst lässt sich ihr Leben nicht gestalten. In Freiburg absolvierte sie einen Deutschintensivkurs und erarbeitete ihre Bewerbungsmappe für die Kunsthochschulen. Die Hochschule der Bildenden Künste Saar suchte sie sich 2008 für ihren Studiengang Media Art & Design bewusst aus, weil "hier der Studieninhalt ein breites Spektrum aus Foto, Audio, Film bereithält und ich mich nicht festlegen, sondern alles ausprobieren wollte". Ihre Professorin an der HBK ist die preisgekrönte südkoreanische Regisseurin Sung-Hyng Cho. "Von ihr habe ich sehr viel gelernt". Sie sei angekommen, nicht nur im Genre Film, "sondern auch im Leben. Zurück zu BWL will ich niemals", sagt Vanchinjav und schüttelt energisch den Kopf.

Für ihre Arbeit als Videokünstlerin kehrt sie bei ihrem preisgekrönten Kurzfilm "Unknown tale" aber zurück in die Mongolei und verarbeitet Eindrücke, die sie als Kind erlebte: Drei Monate im Jahr, immer während der Schulferien, verbrachte sie in der mongolischen Steppe bei ihren Großeltern, die als Nomaden noch ein urzeitliches und "komplett anderes Leben" führten. "Für uns Kinder war das Leben in der Steppe toll. Wir haben den ganzen Tag draußen gespielt." Ihr Sechs-Minuten-Film erzählt keine zusammenhängende Handlung. Stattdessen zeigt sie Szenen, die sich wiederholen. Alte Bräuche und Traditionen der Nomaden werden angedeutet: Man sieht drei Frauen in Tracht, die sich zu einem fast statischen Tanz einreihen. Immer wieder löst sich eine von ihnen, geht um die Jurte. Jedes Mal erlischt der Tag, und die Nacht bricht an. Durch Wiederholung will Vanchinjav "den Alltag zeigen, der gleich erscheint und die Leere". In einer anderen Szene sieht man eine alte Nomadin, die Kuhmilch aus einer Schale in die Luft wirft, so als würde sie säen.

"Das ist ein alter Brauch, der die Götter wohlstimmen soll", erklärt die Videokünstlerin. Die Leuchtkraft der Farben entzieht sie ihren Bildern: Alles erscheint in einem gedämpften Braun. Vanchinjav gibt den Bewegtbildern die Optik vergilbter Fotos mit und zeigt damit die Vergänglichkeit des Lebens.

Düster wirkt die Botschaft dennoch nicht - fast meditativ wirken die Wiederholungen. Und sie machen die Ruhe der Nomaden greifbar, die fern der Zivilisation ohne Hektik leben.

Die lose Erzählfolge ihrer Arbeiten entlehnt sie "häufig dem Traum". In den Kurzfilmen "Der Schatten" oder "Das Zimmer" wird die "losgelöste Logik" ihrer Phantasie und Bildsprache noch deutlicher. Gerade sitzt sie an ihrer Diplomarbeit: "Auch dieses Mal ist es eine Arbeit über die Mongolei, allerdings über die Hauptstadt."

"Unkown tale - Tanihgui negen domog" ist im Internet unter www.vimeo.com/73389188 zu sehen.

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