Notruf aus der Landesregierung

Saarbrücken · Wenn nicht kurzfristig zusätzlicher Wohnraum für Asylbewerber zur Verfügung gestellt wird, müssen möglicherweise auch im Saarland Flüchtlinge in Hallen oder Gemeinschaftshäusern einquartiert werden.

 Großer Ansturm auf die zentrale Landesaufnahmestelle in Lebach. Foto: Rolf Ruppenthal

Großer Ansturm auf die zentrale Landesaufnahmestelle in Lebach. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen, die in Deutschland auf die Bundesländer verteilt werden, stellt das Saarland vor eine besondere Herausforderung. Die zentrale Landesaufnahmestelle in Lebach verzeichnete im ersten Halbjahr 2015 bereits mehr als 3000 Neuzugänge. Die Tendenz ist weiter steigend. Gestern war die Einrichtung mit 1600 Personen, davon 1465 Syrer, überbelegt. Teilweise mussten in Magazinräumen bereits Notbetten aufgestellt werden. In den nächsten Tagen werden nach Angaben von Innenminister Klaus Bouillon etwa 500 Flüchtlinge in die 52 Saar-Kommunen verteilt. Dort sind bereits seit Jahresbeginn 1966 Menschen untergebracht worden.

Am letzten Wochenende hatte sich die Situation in Lebach besonders zugespitzt, weil einige Bundesländer meldeten, sie könnten keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Deshalb wurden unerwartet 100 Personen zusätzlich nach Lebach geschickt.

Krisensituationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen: Mit Sozialministerin Monika Bachmann (CDU ), Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ), Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) und Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) stimmten gestern gleich vier Kabinettsmitglieder den Notruf an: "Wir brauchen dringend weiteren Wohnraum für Flüchtlinge." Ohne zusätzliche Wohnungen drohten - wie bereits in anderen Ländern praktiziert - die Belegung von Hallen, Zelten oder Containern. Derzeit, so Innenminister Bouillon , profitiere das Land noch von einem bereits vor Monaten aufgelegten Wohnungsraumprogramm. Dies reiche aber nicht mehr aus. Ein weiteres Maßnahmenpaket wurde auf den Weg gebracht: Das bereits laufende Programm wird verlängert. Dafür macht das Innenministerium vier Millionen Euro locker. Das Wirtschaftsministerium engagiert sich mit einem "Initiativ-Programm zur Unterbringung von Flüchtlingen". Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften sollen Wohnungen und Mehrfamilienhäuser kaufen, eventuell sanieren und dann langfristig (zehn bis 15 Jahre) an die Kommunen vermieten. Diese könnten dann kurzfristig in etwa 400 Wohneinheiten rund 1000 Asylbewerber einquartieren. Die Saar LB (Landesbank) und die Sparkassen werden in die Finanzierung eingebunden, erklärte Wirtschaftsministerin Rehlinger. Das Land sichert die Geschäfte mit einer Ausfallbürgschaft von maximal 25 Millionen Euro ab.

Innen- und Umweltministerium unterstützen zudem Investoren, die Wohnraum für Flüchtlinge und Sozialschwache schaffen mit einem Mietzuschuss von bis zu zwei Euro (Maximal-Miete: acht Euro pro Quadratmeter). Hintergrund ist, dass in den Dörfern viele Immobilien leer stehen. "Dieses Potenzial gilt es auszuschöpfen," argumentiert Umweltminister Jost. "Damit helfen wir Flüchtlingen und tun etwas für die Stärkung des ländlichen Raums".

Sozialministerin Monika Bachmann will als Integrationsbeauftragte der Landesregierung bis nach der Sommerpause einen "Flüchtlingsatlas" vorstellen, mit dem Hilfen vor Ort, wie Wohnangebote, Betreuungsmöglichkeiten, Sprachkurse und Hilfestrukturen koordiniert und Netzwerke organisiert werden können. In Trier finden derzeit Flüchtlinge in der Sporthalle einer nicht mehr genutzten Schule Unterschlupf. Im Laufe der Woche ziehen sie dann in Zelte nach Bitburg um. In Luxemburg ist die Zahl der Flüchtlinge ebenfalls angestiegen. Diesen steht mit "Foyer Lily Unden" in Limpertsberg ein neues Flüchtlingszentrum zur Verfügung. Es umfasst auf insgesamt 2800 Quadratmetern über 120 Betten und sanitäre Anlagen sowie Aufenthaltsräume, Kantine und Kleiderstube zur Erstversorgung.

Meinung:
Minister als Krisenmanager

Von SZ-Redakteur Michael Jungmann

Wenn gleich vier von sieben saarländischen Kabinettsmitgliedern gemeinsam und in großer Eintracht vor die Medien treten, um mit Nachdruck darum werben, dass Privatleute und Investoren Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung stellen, ist dies als ein klares Signal zu werten: Die Situation ist sehr ernst. Gelingt es nicht, kurzfristig zusätzlichen Wohnraum für Menschen in akuter Not zu besorgen, führt wohl an der Unterbringung der Kriegsflüchtlinge in Sporthallen oder Zelten kein Weg mehr vorbei. Menschenwürdig sind solche Ausweichquartiere ganz sicher nicht. In anderen Bundesländern ist das leider bereits traurige Realität.

Unter diesen Vorzeichen sind die verantwortlichen Minister - allen voran der als erfolgreicher Macher bekannte Klaus Bouillon - im heißen Sommer 2015 als Krisenmanager gefordert.

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