„Nichts als Adèle“ und die Melodie der Worte

Saarbrücken · Im Künstlerhaus war Auftakt zu einem „Printemps Poétique Transfrontalier“, einem Lesemarathon für die Großregion.

"Fünf international gefragte Poetinnen und Poeten" verspricht der Künstlerhaus-Vorsitzende Hans Gerhard gewohnt vollmundig. Doch der Soundcheck verzögert zunächst den erlesenen Gedichte-Marathon. Und so feixt Gerhard im improvisierten Französisch über "un monde différent", bis mit dem erlösenden "ça marche" das "alle Grenzen pulverisierende Literaturabenteuer" seinen Lauf nimmt.

In atemberaubender Geschwindigkeit huscht Ro Gebhardts rechte Hand über den Gitarrenhals. Aufbrausende Pentatoniken verharren jäh im Moll, um ebenso abrupt wieder an Fahrt und Lautstärke aufzunehmen, bis leise Obertöne den tangohaften Prolog beschließen - für den es Szenenapplaus gibt.

Für Loïc Demey, der als Sportlehrer in Metz lebt, gibt es in seinen Gedichten "nichts als Adèle". Den Zustand des Verliebtseins drückt er ohne Verben aus. Das klingt dann so: "Ich von wegen Unfall oder Liebe. Ich Abschied, sie am Gleis. Ich mich Zorn, ich mich allein im Auto, ich mich Kontrollverlust. Ich nichts Ernstes, oder fast." Und immer wieder "nichts als Adèle".

Während Demey und sein Übersetzer abwechselnd in Französisch und Deutsch Adèle besingen, schließen einige der Besucher die Augen, um Demeys "Vagabundieren in verstreuter Ordnung" ungestört zu lauschen.

Ob die Liebe so etwas wie ein Rotkehlchen ist, fragt der Poet - und während Ro Gebhardt erneut virtuos in die Saiten greift, bereitet sich die hiesige Vertreterin Natascha Denner auf ihre Lesung vor. Die ursprünglich aus dem sibirischen Tomsk stammende Autorin versprüht nicht nur "ein Wölkchen Spiritus", sondern entführt das entzückte Publikum mit lokal-adverbialer Finesse und Dada in ein "elefantenerschütterndes Delirium", wofür sie auch von ihrem anwesenden Sohn mächtig Applaus erntet.

Es folgt der aus Wallonien stammende, mehrfach ausgezeichnete Eric Piette, der zuvor zwei Wochen als Stipendiat im Künstlerhaus residierte und sich bedankt, dass er nicht mit einem saarländischen Wörterbuch im Keller eingesperrt wurde. In seinem dunklen Gedichten bedenkt er in existenzialistischer Manier "die Komplizen des gemeinsamen Untergangs" in der "Rue laterale". Den Abschluss des wortgewandten, knapp zweistündigen Lesemarathons bestreiten Martina Weber und der Luxemburger Jean Portante, der hierzulande mit seinen im Gollenstein-Verlag erschienene "Erinnerungen eines Wals" Bekanntheit erlangte. Für die fünf Autoren und Ro Gebhardt fängt der Marathon jetzt erst richtig an - sie werden in den nächsten Wochen die Großregion mit ihrem exquisiten Programm bereisen.

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