Nicht Liebhaber, nicht Opfer

Saarbrücken · Er ist der „Tschick“ in einer der erfolgreichsten Staatstheater-Produktionen. In ein paar Wochen kommt Roman Konieczny als Christopher Boone auf die Bühne. Der 32-Jährige ist einer der interessantesten Neuzugänge des SST.

 Roman Konieczny gehört seit knapp zwei Jahren zum Ensemble des Staatstheaters. Foto: Mailänder

Roman Konieczny gehört seit knapp zwei Jahren zum Ensemble des Staatstheaters. Foto: Mailänder

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 Eine von Roman Koniecznys ersten Rollen am Saarbrücker Theater war in der „Dreigroschenoper“. Foto: Stage Picture

Eine von Roman Koniecznys ersten Rollen am Saarbrücker Theater war in der „Dreigroschenoper“. Foto: Stage Picture

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 Da waren die Haare noch kurz: Ein etwas älteres Szenen-Foto aus „Tschick“ mit Benjamin Bieber (rechts). Die Wiederaufnahme der Erfolgsproduktion ist am 1. Oktober. Foto: Marco Kany

Da waren die Haare noch kurz: Ein etwas älteres Szenen-Foto aus „Tschick“ mit Benjamin Bieber (rechts). Die Wiederaufnahme der Erfolgsproduktion ist am 1. Oktober. Foto: Marco Kany

Foto: Marco Kany

Diese Stimme. Ein bisschen tief, ein bisschen rau und leicht schläfrig. Wer Roman Konieczny mal als "Tschick" auf der Bühne gesehen hat, bekommt den Klang nicht mehr so schnell aus dem Ohr. Und man versteht schnell, warum diese Produktion in der Sparte 4 des Staatstheaters so ein Dauerbrenner ist. Sie trifft den Nerv der Zeit und hat zwei ideale Darsteller: Benjamin Biber - und eben Roman Konieczny. "Ich denke, wir haben es bald 70 Mal gespielt", sagt der beim Treffen mit der SZ. Und es ist kein Ende abzusehen. Das Stück ist seit gut zwei Jahren ständig ausverkauft.

Jetzt steht die nächste große Herausforderung für den 32-jährigen (und deutlich jünger wirkenden) Schauspieler an. Ab dem 19. September betritt Roman Konieczny als Christopher Boone die Bühne. Das Stück "Supergute Tage" über die "sonderbare Welt" eines autistischen Jungen war als Jugendbuch ein Renner und ist ein wunderbar skurriles Theaterstück geworden.

"Ich habe mich sehr gefreut, dass ich die Rolle bekommen habe", sagt Konieczny, und seine auffallend hellblauen Augen leuchten. Denn Christopher Boone ist eine Herausforderung für einen Schauspieler . "Es ist ein starker Kontrast dazu, wie ich normalerweise arbeite. Sonst mache ich immer gern die vierte Wand auf und rede mit den Leuten." Aber als autistischer Junge muss er ganz in der eigenen Innenwelt spielen. "Christopher hat auch keine Hintergedanken, die ich bei der Figur mitspielen könnte. Und auch der Kontakt zu den Schauspielkollegen ist anders." Zur Vorbereitung kam extra eine Mitarbeiterin des Autismus-Therapiezentrums ans Theater . "Da habe ich viel gelernt", sagt der 32-Jährige. Er wird den Christopher keinesfalls als jemanden spielen, der behindert ist. "Ich habe bei Tschick ja auch nicht versucht, einen Jugendlichen zu spielen." Er nimmt die Figur, wie sie ist, "und das, was ich aus mir selber hole, damit komme ich gut rum".

Wenn man Roman Konieczny so auf der Bühne beobachtet, denkt man, dass er der geborene Schauspieler ist. Dabei war ihm das durchaus nicht in die Wiege gelegt. Die Mutter ist Lehrerin, der Vater ist Handwerker. "Nur ein polnischer Onkel meines Vaters ist Schauspieler ." Wie er dann überhaupt zum Theater kam? "Mein Abi-Schnitt war nicht der beste, ich hatte keine Ahnung, was ich machen wollte". Eine Freundin brachte ihn auf die Idee. Sie hatte ihn mal in der Schultheater-AG spielen sehen. "Ich habe mich dann bei der nächst gelegenen Schauspielschule beworben." Das war die Akademie für darstellende Kunst in Ulm .

Als Vorsprechrolle wählte er, ohne groß nachzudenken, Willy Loman aus "Der Tod eines Handlungsreisenden" ("Das Buch hatten wir grad in der Schule gelesen"). Ein noch nicht mal 20-Jähriger sprach also einen gut 60-Jährigen. "Das war natürlich irre, aber die haben mich trotzdem genommen", lacht er und wirkt dabei immer noch ein bisschen überrascht. Aber damit hatte der Junge ohne rechtes Ziel sein Ding gefunden. "Ich hatte immer viel abgebrochen, Musikunterricht, Sport. Aber das Schauspielern, das hat mich interessiert".

Es folgten nach Ulm , wo er auch am Theater engagiert war, drei Jahre beim Kinder- und Jugendtheater in Dortmund und eine "super spannende Zeit" am Landestheater Neuss. In die fällt auch eine Inszenierung von Musils "Törleß", die so kontrovers diskutiert wurde, dass die Publikumsgespräche oft länger waren als die Inszenierung. Eine seiner bisherigen Lieblingsrollen, für die er auch einen Darstellerpreis bekam.

Ansonsten hat der 32-Jährige keine ausgewiesene Traumrolle. "Mir ist wichtig, dass ich nicht festgelegt bin. Dass man nicht sagt, das ist der jugendliche Liebhaber oder der Opfertyp." Da wäre er schnell weg. "Ich mag es,, wenn es breit gefächert ist... Aber, klar, so ein Richard III. hat schon seinen Reiz", sinniert er nach kurzem Überlegen.

Seit knapp zwei Jahren lebt Roman Konieczny mit seiner Lebensgefährtin, der Regisseurin Katarina Schmidt, in Saarbrücken und fühlt sich hier richtig wohl, ist erstmals ein bisschen sesshaft, wie er sagt. Die Stadt gefällt ihm, "die Arbeitsathmosphäre am Theater ist gut". Und er hat gut zu tun - in "Gespräche mit Astronauten" und "Hunger" war er zuletzt besetzt, und er spielt den Tschick in Dauerschleife - ohne, dass er es über hat, wie er betont: "Wir haben Spaß."

Jetzt also kommen "Supergute Tage". Da könnte es übrigens sein, dass Christopher Boones Stimme etwas weniger cool klingt als die von Tschick. "Ich kann das nicht beeinflussen", meint der 32-Jährige, und wirkt fast ein bisschen ratlos. "Sobald ich mir eine Figur vorstelle, redet sie anders." Lassen wir uns also überraschen.

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