Nicht Höhe zählt, sondern die Anerkennung

Saarbrücken · Ein kleines Dankeschön in Form von Schnaps für treue Dienste übers ganze Jahr war früher sogar im öffentlichen Dienst üblich. Heute gibt es immer seltener Trinkgeld. Schade eigentlich, findet die Zielgruppe.

 Postzustellerin Evi Jungfleisch bei der Arbeit. Hier trägt sie Briefe in der Karlstraße in Saarbrücken aus. Foto: Becker&Bredel

Postzustellerin Evi Jungfleisch bei der Arbeit. Hier trägt sie Briefe in der Karlstraße in Saarbrücken aus. Foto: Becker&Bredel

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Manchmal darf man im SR-Fernsehen einen herrlichen Kurzfilm aus den 1960- bis 1970ern sehen, der einen Saarbrücker Polizisten bei der Bändigung des Adventsverkehrs zeigt. Der freundliche Mann dirigiert die Fahrzeuge von einer Kanzel herab, mitten auf der Kreuzung. Und ständig halten Autos direkt neben ihm und steigen Fahrer aus, um "ihrem" Polizisten für seine Arbeit mit einem Geschenk zu danken: Ein kleiner Berg von Pralinen, Weinflaschen und Blumen baut sich neben dem Schutzmann auf. Der Sprecher bewertet die Szene als vorbildlich für den guten Kontakt von Obrigkeit und Bürger. Heutzutage ist derlei Bescherung im öffentlichen Dienst als unerlaubte Zuwendung regelrecht geächtet und per Anweisung verboten.

Selbst wenn der Schenkende für sich keinen Vorteil erzielen will, er könnte den Beschenkten in den Ruch der Bestechlichkeit bringen. Ob bei Polizei oder Stadtverwaltung Saarbrücken gilt deshalb: Weihnachtsgeschenke gibt es nicht mehr! Offiziell jedenfalls nicht. Manchmal bleibt augenzwinkernd eine Tafel Schokolade liegen...

Anders sieht es bei Müllwerkern aus. Richard Rosinus vom Entsorger Paulus GmbH in Friedrichsthal freut sich, dass die Bevölkerung für die Besatzungen der Müllwagen hin und wieder ein kleines Kuvert oder eine gute Flasche übrig hat. Das sei für die Mitarbeiter eine willkommene Anerkennung ihrer schweren Arbeit. Bis zu zehn Tonnen bewege eine Kraft je Schicht, so Rosinus. Dieser Tage habe eine ältere Frau telefonisch gefragt, wie sie denn an "ihre Müllmänner" herankomme, die seien immer so früh morgens unterwegs. Tipp: Die Weihnachtsgabe an die Zentrale schicken, der Fahrdienstleiter werde es in die Gemeinschaftskasse tun! Auch die Postzusteller werden noch von vielen Haushalten zum Jahreswechsel beschert, mit Crémant, Wein, auch mal mit einem Geldschein. "Auf dem Land wie etwa Heusweiler, wo ich früher war, gibt es meist etwas mehr, dort ist es persönlicher", weiß Zustellerin Evi Jungfleisch.

Die freundliche Frau, die heute in der Saarbrücker City arbeitet, macht ihren Job seit 1982 und kann eine Erfolgsformel aus Handel und Dienstleistung bestätigen: "Wie man in den Wald hereinruft, so schallt es heraus." Nicht alle Kunden können aber so viel geben, wie sie eigentlich möchten: "Vor allem die älteren Leute haben nicht mehr so viel übrig wie früher, alles wird teurer", weiß Zeitungszusteller Roland Feix, der seit 15 Jahren die Saarbrücker Zeitung bringt. Alles in allem bekämen die Zusteller "viel weniger als früher", vielleicht noch bei der Hälfte der Häuser. Richard Rosinus wünschte sich, dass die Tradition des Schenkens nicht ganz einschlafen möge, es komme nicht auf die Höhe der Zuwendung an, sondern generell auf die Würdigung von Arbeit: "Das ist ein sozialer Aspekt."

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