Neun Dinge, die Sie über die Pflegereform wissen müssen

Saarbrücken · Ab Januar 2017 greift die Pflegereform: Die Begutachtung ändert sich, statt Pflegestufen wird es Pflegegrade geben – für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bringt das einige wichtige Änderungen mit sich.

Was ändert sich?

Neu ist, dass geistige und psychische Beeinträchtigungen eine größere Rolle bei der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit spielen. Bisher wurden in erster Linie körperliche Gebrechen berücksichtigt. Künftig ist entscheidend, wie selbständig jemand seinen Alltag noch bewältigen kann. Davon profitieren Menschen, die körperlich noch fit sind, aber bei täglichen Aktivitäten wie Essen oder Anziehen Hilfe brauchen - etwa Demenzkranke.

Wie viele Pflegegrade gibt es?

Anstelle der drei Pflegestufen werden fünf Pflegegrade eingeführt. Wer einen Antrag auf Pflegeleistungen stellt, erhält Besuch von einem Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Er gibt eine Empfehlung ab, in welchen Pflegegrad ein Patient eingestuft werden sollte.

Was ändert sich bei der Begutachtung?

Bisher wurde der Hilfebedarf bei Körperpflege, Mobilität und Ernährung in Minuten ermittelt. Damit ist ab 2017 Schluss. Künftig stellen die Gutachter den Grad der Selbständigkeit fest. Dabei werden sechs Lebensbereiche berücksichtigt und für jeden Bereich Punkte vergeben. Am Ende werden die Punkte gewichtet und addiert. Die Summe entscheidet über die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.

Welche Bereiche sind das?

Selbstversorgung (Beispielfragen: Kann sich der Patient selbst waschen und anziehen?)

Umgang mit Krankheiten (Beispielfragen: Ist der Patient in der Lage, seine Verbände zu wechseln oder eine Diät einzuhalten? Geht er selbständig zum Arzt?)

Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (Beispielfragen: Wie ist es um die zeitliche und örtliche Orientierung des Menschen bestellt? Kann er sich an einem Gespräch beteiligen oder an bestimmte Dinge erinnern?)

Verhaltensweisen und psychische Probleme (Beispielfragen: Ist der Patient aggressiv? Hat er Wahnvorstellungen oder Ängste? Ist er antriebslos?)

Gestaltung des Alltags und soziale Kontakte (Beispielfragen: Wie gestaltet er seinen Tagesablauf? Pflegt er Kontakte zu Personen außerhalb seines direkten Umfelds?)

Mobilität (Beispielfragen: Kann sich der Patient selbst im Bett umdrehen oder Treppen steigen?)

Was kommt auf Pflegebedürftige in Heimen zu?

Heimbewohner mit Pflegegrad 2 bis 5 müssen künftig einen einheitlichen Eigenanteil zahlen. Derzeit ist der Eigenanteil noch von der Pflegestufe abhängig. Menschen mit Pflegegrad 2 werden dadurch stärker zur Kasse gebeten als bisher, jene mit höheren Graden werden entlastet. Bei allen, die noch bis Jahresende ins Heim ziehen, zahlt aber die Pflegekasse die Differenz zwischen altem und neuem Eigenanteil. Die Zuschüsse für das Leben im Heim sinken ab 2017: Für Menschen mit Pflegegrad 2 gibt es 294 Euro weniger im Monat, mit Grad 3 sind es 68 Euro weniger.

Welche Neuerungen gibt es für pflegende Angehörige ?

Ziel der Reform ist auch, dass Pflegebedürftige möglichst lange zuhause bleiben. Deshalb wird die private Pflege gestärkt: Pflegende Angehörige werden besser sozial abgesichert. Wer etwa die Mutter oder den Vater (ab Pflegegrad 2) an zwei Tagen mindestens zehn Stunden in der Woche pflegt, hat Anspruch auf einen höheren Rentenbeitrag. Wer sich eine Auszeit vom Beruf nimmt, um einen Angehörigen zu pflegen, wird in der Arbeitslosenversicherung versichert. Zudem werden Hilfen - etwa für Urlaub oder bei Krankheit - angeboten.

Müssen Pflegebedürftige einen neuen Antrag stellen?

Nein. Wer schon eine Pflegestufe hat, wird automatisch in das neue System übergeleitet. Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, werden in den nächst höheren Pflegegrad eingruppiert - also beispielsweise von Pflegestufe 1 in Grad 2, von 2 auf Grad 3. Hat ein Patient zusätzlich eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz wegen geistiger oder psychischer Beeinträchtigungen attestiert bekommen, rutscht er automatisch in den übernächsten Pflegegrad - also etwa von Stufe 2 in Grad 4.

Können Pflegebedürftige schlechter gestellt werden?

Nein. Bei der Umstellung auf das neue System herrscht Bestandsschutz: Heruntergestuft wird niemand. Wer schon eine Pflegestufe hat, kriegt in der Regel sogar mehr Geld. Wer zum Beispiel von der heutigen Stufe 1 in Grad 2 übergeleitet wird, bekommt statt bisher 244 Euro künftig 316 Euro.

Was müssen Versicherte tun, um in das neue System übergeleitet zu werden?

Nichts. Die Pflegekassen melden sich bei den Versicherten. Wer bis 2017 keinen neuen Bescheid erhalten hat, sollte sich mit seiner Pflegekasse in Verbindung setzen.

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