Nachtgebet statt "Wetten, dass…?"

Saarbrücken. Samstag, 22 Uhr: Viele lassen den Abend im Kino, in der Kneipe, vor dem Fernseher ausklingen. Etwa 40 Menschen machen was anderes. Sie kommen zum ersten Nachteulengottesdienst mit Pfarrer Jörg Metzinger (Foto: Metzinger) in die Johanneskirche. Metzinger sagt: "In vielen deutschen Städten treffen sich spät abends Menschen in Kirchen

Saarbrücken. Samstag, 22 Uhr: Viele lassen den Abend im Kino, in der Kneipe, vor dem Fernseher ausklingen. Etwa 40 Menschen machen was anderes. Sie kommen zum ersten Nachteulengottesdienst mit Pfarrer Jörg Metzinger (Foto: Metzinger) in die Johanneskirche. Metzinger sagt: "In vielen deutschen Städten treffen sich spät abends Menschen in Kirchen. Das wollen wir auch in der Johanneskirche versuchen." Das Licht ist gedämpft. Dutzende Kerzen erleuchten die Kirche. Das Kreuz scheint über dem Altarraum zu schweben. "Nachts gewinnt die Kirche", sagt Metzinger. Besucher bestätigen ihm, er habe eine stimmungsvolle Atmosphäre geschaffen. Einen Kontrast zum Treiben um die Kirche. Metzinger spricht ein meditatives Gebet. Es heißt "In die Stille hören". Es soll die Gelegenheit sein, sich auf den Abend einzulassen. Nur das Knarren der Dielen unter den Füßen einiger Spätankömmlinge ist in der andächtigen Stille noch zu hören. Die Worte Metzingers wirken. "Es war sehr besinnlich, eine andere Art, den Samstag zu beschließen", sagt eine Besucherin.

Anders war auch die Art, für den Gottesdienst zu werben: Darauf aufmerksam geworden sind viele über Internet-Gemeinschaften wie "Facebook" oder "Wer kennt wen?" Gottesdienstwerbung im Internet ist für Metzinger unumgänglich. "In den Internet-Communities sprechen wir zielgerichtet Interessierte an", erklärt er. Von einer Internetplattform stammt auch der Text, den Metzinger vorliest. Geschrieben hat ihn Anna Ecke. Es geht um Wahrheiten, Frage-und-Antwort-Spielchen, Sehnsüchte, Einsamkeiten, Nähe und Risiko der Nacht. Ein Text, mit dem man sich gut identifizieren kann, finden mehrere Besucher. Andere loben die Musik von Kantor Christoph Hauschild. Er spielt am Flügel Sätze aus den "Goldberg-Variationen" von Johann Sebastian Bach. Er komponierte sie angeblich für den russischen Gesandten am Dresdner Hof. Die Variationen sollten ihm die schlaflosen Nächte versüßen. Auch die Nacht in der Kirche hat gewirkt. "Es wäre wünschenswert, dass ein solcher Gottesdienst noch mal stattfindet, schließlich birgt die Nacht die größten Geheimnisse", sagt Pfarrer Volker Bier.

Metzinger denkt schon über den nächsten Nachteulengottesdienst nach. Die Form sei jedoch offen. Aber Anne Eckes Worte dürften vielen Lust aufs Wiederkommen gemacht haben. "Manche Wahrheiten gehören der Nacht. Und es tut gut, sie nicht immer zu verschlafen."

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