Nachbarn sorgen für das Alter vor

St Johann · Die größte Tücke des Alterns ist die Einsamkeit. Gerade in Städten, wo man den Nachbarn kaum kennt, wird es dann mit dem alleine Wohnen schwierig, wenn man auf keine Unterstützung zurückgreifen kann. Die Bewohner der Bruchwiese wollen das ändern.

"Seit 47 Jahren lebe ich schon in der Bruchwiese. Immer in der gleichen Wohnung", sagte eine über 80-jährige Seniorin beim ersten Bewohnertreff zum Projekt "Alter(n)sgerechte Quartiersentwicklung Bruchwiese" im Flohmarkt-Laden "Schnickschnack" am vergangenen Dienstagnachmittag. Wegziehen will sie aus ihrem vertrauten Viertel nicht, auch wenn sich das Quartier Bruchwiese (Wohngebiet zwischen Halberg-, Preußen-, Egon-Reinert- und Hellwigstraße) über die Jahrzehnte völlig verändert hat: Wo es früher grünte, "steht heute rechts ein Parkplatz, und links dröhnt die laute Musik vom Nachbar. Aber ich mach' mir einfach die Ohrstoppen rein, dann höre ich nichts", sagt sie schmunzelnd.

Rund 2800 Einwohner in 1600 Haushalten zählt das zentrumsnahe Wohnviertel heute. Der demografische Wandel lässt sich auch im Quartier Bruchwiese mit Zahlen belegen: "600 Bewohner sind über 65 Jahre alt; 60 Prozent der Anwohner über 60", schlüsselt Uwe Quast, Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk an der Saar (DWSaar) und Projektleiter des "Alter(n)sgerechte Quatiersentwicklung Bruchwiese" auf. Acht Anwohner im Alter von 70 bis 90 Jahren sind Quasts erster Einladung ins Schnickschnack gefolgt. Künftig wird das Bewohnertreffen regelmäßig stattfinden, um sich mit den älteren Anwohnern auszutauschen und Ideen, Möglichkeiten, aber auch Hilfsangebote zu erarbeiten: "Der Traum im Alter" sei, so Quast, "dass man möglichst lange in seiner vertrauten Umgebung bleiben kann. Damit das möglich ist, müssen die Voraussetzungen stimmen." Das Projekt könne sich um den Auf- oder Ausbau einer ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe bemühen - "denn ein gut funktionierendes Netzwerk ist im Alter besonders wichtig". "Ich will von Ihnen wissen, was Sie brauchen, was hier fehlt?", fragte Quast die Runde.

Kürzlich, berichtet eine 87-Jährige, habe ihr eine Bekannte, "die auf dem Eschberg lebt", erzählt, "dass sie wegen jeder Kleinigkeit mit dem Bus zum Saar-Basar fahren" müsse. Der Vorteil ihres Wohnviertels sei schlicht, dass "wir hier alles haben: Ärzte, Apotheken, Geschäfte". Sogar die topografischen Gegebenheiten seien für Senioren optimal; keine Berge, keine Hügel. Auf dem Eschberg, entgegnete Quast, gebe es allerdings schon Seniorenbetreuungen wie ehrenamtliche Einkaufshilfen oder Autobringdienste. "Wenn wir hier feststellen, dass wir auch mal einen Arm brauchen, in dem man sich einhaken kann, wird es Freiwillige geben, die helfen werden", so Quast zuversichtlich. Eines aber fehlt den Bruchwiesern dann doch: "Ein Café oder ein Ort, wo man sich mal trifft, wo man miteinander reden kann, wäre toll", befand eine Bewohnerin, "wir haben hier ja nur das Steigleiter. Das ist zu wenig."

Eine Veranstaltung rund um das Thema "Mobil 60 plus" hat das DWSaar gemeinsam mit dem "Verkehrsclub Deutschland" schon in Planung: Die Infoveranstaltung will Rollatoren, Elektrofahrräder und Haushaltsküchenhilfen vorstellen. Bei einem Ziel braucht Quast aber die Hilfe der langjährigen Bewohner: "Ich suche alte Fotos von der Bruchwiese. Wäre doch toll, wenn wir eine Fotoausstellung organisieren." Der nächste Bewohnertreff findet am Dienstag, 29. Juli, ab 15 Uhr, im Schnickschnack in der Lessingstraße 61 statt.

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