Müll-Desaster: 17 Millionen sind im Eimer

Saarbrücken · Endlich erfährt die Öffentlichkeit, was es gekostet hat, als die Stadtwerke mit Müll und Abwasser scheiterten Spektakulär gescheitert waren die Stadtwerke, als sie 2004 Müll- und Abwasser-Entsorgung übernommen hatten. Über die Kosten des Desasters wurde lange und heftig gestritten. Jetzt erfuhr die SZ, worauf sich die Politik geeinigt hat - und auf wessen Kosten. Saarbrücken. Endlich ist es raus: 17 Millionen Euro Verlust bescherte das gescheiterte Müll- und Abwasser-Manöver von 2004 der Stadt und den Stadtwerken (SW). Elf Millionen stehen in den Bilanzen der SW 2004 bis 2007. Sechs Millionen übernahm die Stadt.Aber der Gebührenzahler kommt diesmal ungeschoren davon. Die Erhöhung der Abwasser-Gebühr 2010 hat nichts mit dem Desaster zu tun - denn die Verluste von Stadt und Stadtwerken sind allein deren Sache. Sie haben keinen Einfluss auf die Gebühren des Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetriebes (ZKE). All das versicherten jetzt unisono Umweltdezernent Kajo Breuer, ZKE-Chef Bernd Selzner, und der Leiter des Saarbrücker Beteiligungsmanagements (BMS), Paul Rennig.

Endlich erfährt die Öffentlichkeit, was es gekostet hat, als die Stadtwerke mit Müll und Abwasser scheiterten

Spektakulär gescheitert waren die Stadtwerke, als sie 2004 Müll- und Abwasser-Entsorgung übernommen hatten. Über die Kosten des Desasters wurde lange und heftig gestritten. Jetzt erfuhr die SZ, worauf sich die Politik geeinigt hat - und auf wessen Kosten.


Saarbrücken. Endlich ist es raus: 17 Millionen Euro Verlust bescherte das gescheiterte Müll- und Abwasser-Manöver von 2004 der Stadt und den Stadtwerken (SW). Elf Millionen stehen in den Bilanzen der SW 2004 bis 2007. Sechs Millionen übernahm die Stadt.Aber der Gebührenzahler kommt diesmal ungeschoren davon. Die Erhöhung der Abwasser-Gebühr 2010 hat nichts mit dem Desaster zu tun - denn die Verluste von Stadt und Stadtwerken sind allein deren Sache. Sie haben keinen Einfluss auf die Gebühren des Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetriebes (ZKE). All das versicherten jetzt unisono Umweltdezernent Kajo Breuer, ZKE-Chef Bernd Selzner, und der Leiter des Saarbrücker Beteiligungsmanagements (BMS), Paul Rennig.

"Trotzdem", so stellte Breuer klar, "ist der Bürger natürlich auch in diesem Fall der Gelackmeierte. Denn im Endeffekt wird er ja doch zur Kasse gebeten - zwar nicht als Gebührenzahler, dafür aber bei den Steuern, die er an die Stadt entrichtet, und bei den Entgelten, die er an die Stadtwerke bezahlt."

Alles begann 2003

Seinen Anfang nahm das Müll-Desaster 2003. Im Stadtrat saßen SPD, CDU und Grüne. Die SW behaupteten, sie könnten Müll und Abwasser erheblich billiger entsorgen als der ZKE - obwohl die SW auf ihre Personalleistungen auch Umsatzsteuer erheben müssen und der ZKE nicht. Trotzdem bestätigten Gutachter: Die SW schaffen das. Der ZKE, Teile der Stadtverwaltung und andere Gutachter glaubten es nicht.

Gleichwohl beschlossen die Ratsfraktionen von SPD und CDU im Dezember 2003, dass die SW am 1. April (kein Scherz) 2004 die Müll- und Abwasser-Entsorgung übernahmen - und dass der ZKE das nötige Personal dafür an die SW abtreten musste. Danach sollten die SW dem ZKE - also der Stadt - jedes Jahr eine Rechnung für Müll- und Abwasser-Entsorgung schicken.

Doch als 2006 die erste Rechnung kam, war klar: Die SW, ihre Gutachter und die Fraktionen von SPD und CDU hatten sich geirrt. Die SW erledigten den Job nicht billiger als es der ZKE gemacht hätte - sondern sie waren erheblich teurer.

Dadurch entstand ein unerwartetes Problem: Der ZKE durfte die Rechnungen der SW nicht bezahlen - sonst hätte er gegen das Gebührenrecht verstoßen. Denn gemäß Gebührenrecht hätte der ZKE nur bezahlen dürfen, wenn die SW billiger gewesen wären als er selbst oder wenigstens gleich teuer.

Daher überwies der ZKE den SW lediglich so viel, wie er selbst für den Job gebraucht hätte. Und die SW machten munter Verluste.

Um das zu abzustellen, beschloss der - inzwischen neu gewählte - Stadtrat 2007: Kommando zurück, ab 2008 übernimmt der ZKE wieder Müll und Abwasser und bekommt dafür auch sein Personal von den SW zurück.

Nicht öffentlich

Die SZ berichtete mehrfach über das Desaster und fragte immer wieder: Was hat's gekostet? Wer muss es bezahlen? Wer ist schuld?

Aber die Antworten aus Politik und Verwaltung waren sehr verschieden. Einziger gemeinsamer Tenor: Die Höhe der Verluste muss erst noch ermittelt werden - schuld sind auf jeden Fall die anderen. Seither gab es keine offizielle Mitteilung mehr zum Müll-Desaster.

Jetzt hat die SZ festgestellt: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat der Stadtrat bereits am 10. Februar 2009 einen Schlussstrich unter die Affäre gezogen - und abgesegnet, worauf sich ZKE und SW in offenbar zähen Verhandlungen geeinigt hatten: nämlich die Verluste von 17 Millionen Euro und wer sie bezahlt.

Meinung

Ahnungslos gegen die Wand

Von SZ-Redakteur Jörg Laskowski

So läuft das: Politiker brauchen und berufen Geschäftsführer für kommunale Firmen. Die Geschäftsführer, die dort anheuern, sind aus irgendeinem Grund nicht bei erfolgreichen Privat-Firmen. Warum auch immer. Die Geschäftsführer überreden die Politiker zu Geschäften, die beide nicht verstehen. Eine Menge Geld geht in Rauch auf. Man erklärt: Schuld sind die anderen - für den Bürger bleibt alles kostenlos. Dann wird hinter den Kulissen verhandelt. Man einigt sich auf eine "Lösung", die kaum einer versteht oder erklären kann. Dem Bürger sagt man erst mal nichts - zu kompliziert. Doch dann kommt raus: Der Bürger hat schon wieder 'nen neuen Kredit an der Backe - sechs Millionen. Sicher, sicher, die Stadtwerke-Chefs von damals sind inzwischen abgelöst. Natürlich mit Abfindungen. Auch manche Politiker sind weg. Aber was ist mit der Ahnungslosigkeit, die uns in diese Pleite reingeritten hat?

Stadt musste noch 6 Millionen Schulden machen

Dieses Darlehen beim Eigenbetrieb ZKE geht zu Lasten des Steuerzahlers

Die Stadt hat sich sechs Millionen Euro geliehen, um sich damit an den Kosten des Müll- und Abwasser-Desasters zu beteiligen. Steuer- und Abgabenzahler müssen für diese Millionen und die Zinsen gerade stehen.

Saarbrücken. Im Juni 2008 fragte die SZ die Vorsitzenden der Stadtratsfraktion und die Stadtverwaltung unter anderem: "In welchem der heutigen Unternehmen schlagen die Verluste aus dem gescheiterten Manöver zu Buche - VVS, Stadtwerke oder ZKE?"

Für die CDU antwortete Peter Strobel (Foto: CDU), damals wie heute Fraktionschef im Stadtrat: "Die finanziellen Lasten der Integration verbleiben im VVS-Konzern und dort explizit bei der Stadtwerke AG. Dies bedeutet, eine Gebührenerhöhung beim ZKE ist nicht möglich. Daneben darf auch nicht vergessen werden, dass die heutigen ZKE-Strukturen dank der Integration als wirtschaftlich stabil angesehen werden können. Insbesondere im Personalbereich darf der ZKE als saniert angesehen werden. Die Kosten dieser Sanierung tragen die Stadtwerke."

Für die SPD antwortete ihr damaliger Fraktionschef, der heutige Bürgermeister Ralf Latz (Foto: SPD)"Die Kosten schlagen auf keinen Fall beim ZKE zu Buche. Hier gibt es sogar den Vorteil, dass Personal- und Kostenoptimierungen nun beim ZKE zu verzeichnen sind. Im Bereich der Stadtwerke schlagen die nicht gebührenfähigen Umsatzsteuern sowie die vom damaligen Vorstand beauftragten Gutachter kostenmäßig zu Buche."

Für die Stadtverwaltung antwortete ein Team um Oberbürgermeisterin Charlotte Britz, SPD (Foto: Stadt), und den damaligen Finanzdezernenten Frank Oran, CDU: "Sämtliche Kosten der Integration muss der VVS-Konzern tragen. Der Konzern hat Rückstellungen gebildet, die zum Ausgleich der Verluste benutzt werden, sobald klar ist, wie hoch sie sind. Die Verluste aus der misslungenen Integration werden auf keinen Fall an den Gebührenzahler weitergegeben." fitz

2008 hieß es noch: Die Stadtwerke tragen alle Verluste allein

Die SZ wollte schon vor Jahren wissen, wer das Müll-Desaster bezahlt - Die Antworten von damals entsprechen nicht den heutigen Fakten

Saarbrücken. Die SZ ließ sich von Umweltdezernent Kajo Breuer, ZKE-Chef Bernd Selzner und dem Chef des Saarbrücker Beteiligungsmanagements, Paul Rennig, erklären, wie die Verluste von 17 Millionen beim Müll- und Abwasser-Desaster zusammenkamen - oder besser gesagt: abhanden kamen. Warum die Stadt sechs Millionen davon übernehmen muss. Und warum die Gebührenzahler ungeschoren bleiben.

Die SZ erfuhr Folgendes - grob vereinfacht: Die Stadtwerke (SW) hatten für die Müll- und Abwasser-Entsorgung zwischen dem 1. April 2004 und dem 31. Dezember 2007 rund 58 Millionen Euro verbraucht und mussten dazu noch rund sechs Millionen Umsatzsteuer auf Personalleistungen erheben.

Der ZKE hätte für dieselben Leistungen nur 47 Millionen gebraucht - also durfte er gemäß Gebührenrecht auch nur diese 47 Millionen an die SW überweisen.

Wäre es dabei geblieben, dann hätten die SW die 17 Millionen Euro Verlust alleine tragen müssen. Aber das ging nicht.

Denn dadurch wäre formaljuristisch eine so genannte "verdeckte Gewinnausschüttung" an die Stadt entstanden - das heißt: Die Stadt hätte mit ihrer eigenen Firma SW ein Verlustgeschäft gemacht und die Verluste dann allein der Firma aufgeladen. Doch das ist verboten.Also musste sich die Stadt am Verlust beteiligen. Deshalb beschloss der Rat: Die Stadt übernimmt die sechs Millionen, die durch die Umsatzsteuerpflicht der SW anfielen.

Weil aber die Stadt kein Geld hat, musste sie sich die sechs Millionen leihen - und zwar beim ZKE. Der überwies dann also doch nicht nur 47, sondern gleich 53 Millionen an die SW.

Stadt zahlt Zinsen

Der ZKE gewährte der Stadt also ein Darlehen, und die Stadt muss ihm auf dieses Darlehen die banküblichen Zinsen bezahlen. Je länger die Stadt dieses Darlehen nicht ablösen kann, desto länger muss sie Zinsen zahlen.

Aber immerhin bleibt das Geld in der Familie. Denn laut Selzner ist der ZKE zwar ein Teil der Stadt, also "rechtlich unselbstständig", trotzdem "aber finanziell unabhängig". Die Stadt habe keinen Zugriff auf das "Sondervermögen" des ZKE - das dürfe nur für Müll und Abwasser ausgegeben werden. Also bestehe auch nicht die geringste Gefahr, dass sich der Sechs-Millionen-Kredit an die abgebrannte Stadt (rund 700 Millionen Schulden) jemals auf die Gebühren niederschlägt.

Anders lautende Gerüchte, die nach den Gebührenerhöhungen am 1. 1. 2010 ins Kraut schossen, entbehrten jeder Grundlage. Das versichern Breuer, Selzner und Rennig und verweisen auf mehrere Kontroll-Mechanismen: Die neue Gebührensatzung des ZKE beispielsweise sei 2009 erst vom Rechnungsamt der Stadt kontrolliert, dann vom Stadtrat diskutiert und beschlossen worden - und 2011 komme sie erneut unter die Lupe, wenn der Jahresabschluss des ZKE erst von einem Wirtschaftsprüfer, dann vom Stadtrat und schließlich von der Kommunalaufsicht kontrolliert werde.

Investitionsstau

Durch Kontrolle nicht wettzumachen ist eine andere Folge des Desasters: der Investitionsstau an der Kanalisation. Laut Selzner investierten die SW 2004 bis 2007 jährlich rund sieben Millionen Euro in die Sanierung der Kanäle - während rund 15 Millionen im Jahr nötig gewesen wären; Nachholbedarf: rund 32 Millionen Euro. fitz

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort