Mord an den Schwächsten

Saarbrücken · Vergast, vergiftet, mit tödlichen Erregern infiziert, langsam ausgehungert – auf diese Weise ermordeten Kinderärzte in der NS-Zeit zwischen 5000 und 10 000 Säuglinge, Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Belege dafür gibt's im Rathaus St. Johann.

Die meisten Kinderärzte , die für die Morde an bis zu 10 000 Kindern verantwortlich waren, praktizierten und lehrten in der Nachkriegszeit unbehelligt weiter, etwa Werner Catel in Kiel und Hans Heinze in Hannover.

Beim NS-Euthanasieprogramm, das selbst nach NS-Recht strafbar war, haben auch viele Saarländer freiwillig mitgemacht. Von den bis zu 1600 Patienten der psychiatrischen Anstalten Homburg und Merzig wurden in der Nazizeit über 1000 deportiert und ermordet, nur 80 bis 260 überlebten. Die Forschungsergebnisse sind dem Historiker Christoph Braß zu verdanken.

Mitverantwortlich für etwa 2350 Zwangssterilisationen und Krankenmorde in der NS-Zeit war der Ensheimer Arzt Oskar Orth (1876-1958), Leiter des Landeskrankenhauses in Homburg. Auch er genoss nach 1945 höchstes Ansehen, wurde Ehrenbürger Homburgs und Saarbrückens, erhielt 1957 das Bundesverdienstkreuz. Straßen wurden nach ihm benannt. Erst 2012 entschloss sich der Bezirksrat Halberg, den Oskar-Orth-Brunnen umzubenennen, in Ensheimer Brunnen. Die Stadt Homburg stiftete noch 1980 einen nach Orth benannten Wissenschaftspreis, jetzt "Wissenschaftspreis der Stadt Homburg".

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 Der Ensheimer Arzt Oskar Orth war Leiter des Landeskrankenhauses in Homburg, in dem in der NS-Zeit etwa 2350 Menschen zwangssterilisiert wurden. Foto: Geschichtswerkstatt

Der Ensheimer Arzt Oskar Orth war Leiter des Landeskrankenhauses in Homburg, in dem in der NS-Zeit etwa 2350 Menschen zwangssterilisiert wurden. Foto: Geschichtswerkstatt

Foto: Geschichtswerkstatt

Auf einen Blick Begleitprogramm zur Ausstellung "Im Gedenken der Kinder": Am Dienstag, 31. Januar, 18.30 Uhr, referiert Dr. Gisela Tascher aus Heusweiler über "Zwangssterilisation der Rheinlandbastarde 1937". Darin nimmt sie auch Bezug auf Oskar Orth (siehe unten). Das Schicksal Jugendlicher aus der Nervenklinik Merzig stellt Lehrerin Ann-Katrin Engels gemeinsam mit ehemaligen Schülern des Gymnasiums am Stefansberg in Merzig am Dienstag, 14. Februar, um 18.30 Uhr vor. "Gesundheitliche Beeinträchtigungen von Kindern in Deutschland durch Armut und Ausgrenzung" ist Thema von Prof. Jens Möller, Chefarzt der Kinderklinik am Klinikum Saarbrücken , am Dienstag, 7. März, 18.30 Uhr. Der Titel des Vortrags des Sozialpädagogen und Buchautors Reiner Engelmann am Dienstag, 21. März, 18.30 Uhr, lautet "Kinderarbeit - des einen Freud - des anderen Leid". Und um die seelischen Folgen traumatischer Kindheitserlebnisse geht es am Dienstag, 4. April, um 18.30 Uhr. Es referiert Dr. Alf Gerlach, Psychoanalytiker aus Saarbrücken. red

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