Mit Musik und Lächeln gegen Krieg und Trümmer

Saarbrücken · Das Netzwerk Ankommen in Altenkessel organisierte ein syrisches Konzert und gibt Geflüchteten ein Stück Heimat wieder

 Ihr Bein ist gebrochen, aber die Stimme ist klar: Die neunjährige Alin singt beim Konzert in Altenkessel. Foto: Ebelshäuser

Ihr Bein ist gebrochen, aber die Stimme ist klar: Die neunjährige Alin singt beim Konzert in Altenkessel. Foto: Ebelshäuser

Foto: Ebelshäuser

("Wenn ich jetzt mit dir so rede, das habe ich alles dem Netzwerk zu verdanken", sagt Marwan Mohamad. "Ich gehe zwar in die Schule, aber aus Büchern lernt man nicht deutsch sprechen, das lernt man nur mit Menschen." Der 31-Jährige aus dem syrischen Kobane hält einen Stapel Flyer in der Hand. Seit Winter 2015 lebt er im Saarland. Er flüchtete aus einem Land des Krieges. Seinen Bruder nahm ihm der Terror des IS, seine Heimatstadt liegt heute nahezu vollständig in Trümmern. Und doch hat er ein breites Lächeln im Gesicht, als er die Besucher des heutigen Konzertes mit einem Händedruck und einem Flyer begrüßt.

Das Netzwerk von dem er spricht, ist das Projekt "Netzwerk Ankommen" in Altenkessel, das an diesem Sonntagnachmittag auch das syrische Konzert dort organisiert. Vier verschiedene Musikgruppen spielen im gut gefüllten Bürgerhaus syrische und kurdische Lieder aus der Heimat. Das Publikum ist bunt gemischt, begrüßt und angekündigt wird in Deutsch und Arabisch.

Gegründet wurde das Netzwerk im November 2014 von Helmut Kohler. Damals habe er gesehen, dass in der Gemeinschaftsunterkunft im Ort ein Schild hing, auf dem in Arabisch "Willkommen" stand. Acht syrische Männer waren dort eingezogen. "Dann habe ich dort an die Tür geklopft und gefragt: Kann ich euch helfen?", erzählt der 72-Jährige. "Und so fing alles an." Heute, zweieinhalb Jahre später ist das nur noch eine Geschichte, die er erzählt. Aus den acht syrischen Männern wurden 31 ganze Familien, über 200 Leute. Aus einem einzigen hilfsbereiten, älteren Mann wurden mehr als 30 Helfer, die sich ehrenamtlich für die Integration der Menschen engagieren.

So auch Alexandra Bauer. Sie hilft häufig beim Transport von Möbelspenden oder beim Bearbeiten von Post, die für die Neuankömmlinge oft in zu kompliziertem Deutsch verfasst ist. Im Gespräch zeigt sie auf einen jungen Syrer, der vorbeigeht. "Bei ihm hab' ich meine erste Schussverletzung gesehen", sagt sie. Beim Spazierengehen auf der Straße sei er angeschossen worden, seine Hand trage die Narbe einer Gewehrkugel. "Das kann man sich hier gar nicht vorstellen, das ist alles so weit weg", sagt sie kopfschüttelnd. Dass viele solche Erlebnisse nicht unbeschadet verarbeiten können, erscheint logisch.

"Besonders die Frauen sind oft stark traumatisiert", sagt Mona Wahbe, eine 38-Jährige aus dem Libanon, die in Deutschland aufgewachsen ist. Zusammen mit Gabi Scheidt leitet sie im Ort eine Frauengruppe, die mit verschiedenen Projekten wie Tanzkursen oder Ausflügen die geflüchteten Frauen stärker integrieren soll. Doch oft beginnt die Hilfe bei Alltagsproblemen, bei der Verständigung mit Ämtern oder Vermietern.

Zum Beispiel auch bei Marwan Mohamad. Als er in eine eigene Wohnung zog, hatte er drei Monate lang kein warmes Wasser. Der Vermieter reagierte nicht auf seine Beschwerden. Dann traf er Helmut Kohler, der ihn in seinem Zuhause aufnahm. Während des Gesprächs mit Marwan betritt die neunjährige Alin die Bühne. Mit Krücken und Gips, denn vor ein paar Wochen hat sie sich das Bein gebrochen. Ihrer Stimme tut das aber keinen Abbruch. Zusammen mit ihrem Onkel Ibrahim singt die junge Kurdin ein Lied über die Heimat. In dem Flyer von Marwan ist die Liedfolge abgedruckt, zu dem Lied steht: "Es geht darum, wie schön und wichtig es ist, dass man eine Heimat hat". Für Marwan zumindest ist diese Heimat nun Altenkessel.

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