Mit harter Wortwahl in den Dichterstreit

Saarbrücken · Im Februar entdeckte Julia Altmaier ihre Begeisterung für die Kunstform Poetry Slam. Schnell stand für die angehende Krankenschwester und Hobbyschauspielerin fest: „Das kann ich auch!“ Am vergangenen Freitag trat sie beim Saarbrücker Poetry Slam zum ersten Mal mit einem eigenen Text vor Publikum auf.

 Nachdem die erste Nervosität sich gelegt hatte, wurden die Gesten der jungen Poetry-Slammerin größer. Foto: Iris Maurer

Nachdem die erste Nervosität sich gelegt hatte, wurden die Gesten der jungen Poetry-Slammerin größer. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Um 18.45 Uhr betritt Julia Altmaier das Saarbrücker Kino Camera Zwo. Ihre Wangen sind vom Laufen gerötet. "Hier bin ich", grüßt sie freundlich und signalisiert den Organisatoren des Poetry Slams ihre Anwesenheit. Bereits vor fünf Monaten hat sich die 23-Jährige als Teilnehmerin angemeldet. Nun ist der große Tag gekommen. Zum ersten Mal wird sie einen selbst geschriebenen Slam-Text vor Publikum präsentieren.

Ein Blick auf die Uhr. Noch eine Stunde bis Veranstaltungsbeginn. Julia bekennt: "Ich fühle mich wie vor einer Klausur, für die ich gelernt habe: zwar gut vorbereitet, aber nicht wissend, was mich tatsächlich erwartet." Dieser Nervenkitzel und das Wissen, dass bei einer Live-Performance jederzeit etwas schiefgehen kann, machen für Julia den besonderen Reiz des Poetry Slams aus. Daneben findet sie es großartig, einem interessierten Publikum einen selbst verfassten Text und ihren Schreibstil vorzustellen.

Im Februar wurde Julia über Facebook erstmals auf Poetry Slams aufmerksam. "Ich war begeistert und dachte mir: Das kannst und willst du auch." Für ihren ersten Slam hat die junge Frau aus Ensdorf, die eine Ausbildung zur Krankenschwester macht, ein schwieriges Thema gewählt: häusliche Gewalt und ihre psychischen Folgen für die Opfer. "Ich möchte in der Öffentlichkeit auf diese Thematik aufmerksam machen", erklärt sie. "In gewisser Hinsicht ist mein Aufritt auch ein Appell an Betroffene, sich zu wehren."

Die Zeit schreitet weiter voran. Bei der Auslosung der Startreihenfolge erhält Julia Platz zwei. "Das ist gut. So bin ich nicht die Erste, sitze aber auch nicht den ganzen Abend auf glühenden Kohlen", freut sie sich. Je näher 20 Uhr rückt, desto nervöser wird sie.

Beim Betreten der Bühne ist ihr die Anspannung deutlich anzumerken. Doch nach etwa einer Minute hat sie ihren Rhythmus gefunden. Die Gesten werden größer, die Mimik ausdrucksstärker, die Stimme emotionaler. Julia schöpft aus ihrem schauspielerischen Repertoire - sie gehört zur Theatergruppe der katholischen Jugend Bietzerberg - und führt den Zuschauern in drastischer und eindrucksvoller Manier die Verzweiflung von Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, vor Augen. Während ihres Auftritts ist es mucksmäuschenstill im Saal. Kaum von der Bühne runter, fällt Julia Slammer-Kollegin Leah Diba erleichtert um den Hals. Geschafft! "Jetzt brauche ich Zucker", sagt sie mit einem erschöpften, aber zufriedenen Lächeln.

Beim Publikum kam Julias Text unterschiedlich an.

Kathrin Ziegler fand den Stoff zu ernst. "Es war eindeutig der düsterste Text heute Abend", stimmte Yannik Trampert zu. "Aber Poetry Slam muss ja nicht immer lustig sein. Ich finde, Julia hat diese ernste Thematik gut umgesetzt, unter anderem durch die Härte ihrer Wortwahl." Adrian Froschauer gefielen die schauspielerischen Elemente. Dass Julias Stimme anfangs gezittert hat, habe dem Vortrag nicht geschadet. "Im Gegenteil, es passte zum Thema."

Für Julia war der erste Auftritt als Poetry Slammerin eine wertvolle Erfahrung. Für den Einzug ins Finale hat es zwar nicht gereicht, doch für sie steht fest: Diesem Auftritt werden weitere folgen.

Einen Sience-Slam, also ein Kurzvortragsturnier, bei dem Wissenschaftler ihre Forschungsthemen präsentieren, veranstaltet Dichterdschungel am 7. November. Der nächste Poetry Slam in der Camera Zwo ist am 16. Januar.

dichterdschungel.de

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HintergrundEin Poetry Slam ist ein Dichterwettstreit, bei dem die Teilnehmer mit selbst verfassten Texten gegeneinander antreten und um die Gunst des Publikums buhlen. Jeder Slammer hat sieben Minuten Zeit, um zu überzeugen. Die Zuschauer küren den Sieger per Applaus. Der Saarbrücker Poetry Slam findet dreimal im Jahr in der Camera Zwo statt. Veranstalter dieses Wettbewerbs ist die Gruppe Dichterdschungel. kk

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