Mit dem Traktor durch die Republik

Bliesen · Wolfgang Rüdell ist seit fünf Jahren auf Achse. Der pensionierte Restaurator reist durch die Republik, um Denkmäler zu begutachten. Für eine Woche schlug er in Bliesen sein Lager auf und besuchte Bauten der Umgebung.

 Wolfgang Rüdell mit seinem vom Traktor gezogenen bunten Wohnwagen. Foto: ames

Wolfgang Rüdell mit seinem vom Traktor gezogenen bunten Wohnwagen. Foto: ames

Foto: ames

Wo Wolfgang Rüdell Halt macht, fällt er auf. Der Siebzigjährige reist seit 2009 mit dem Traktor durch die Republik; sein Heim - ein bunt bepinselter Bauwagen - im Schlepptau. Als Steinrestaurator arbeitete der Bamberger an vielen Baustellen, darunter dem Wormser Dom und dem Bremer Rathaus. "Damals ging es nach getaner Arbeit so schnell wie möglich vom Gerüst runter und nach Hause", berichtet Rüdell. Jetzt muss er nicht mehr ranklotzen und kann sich die Zeit nehmen, sich seiner Leidenschaft zu widmen.

Ständiger Begleiter ist der Dehio, ein Sammelband, der die wichtigsten deutschen Kulturdenkmäler beschreibt. Dieser lotste ihn auch in den Landkreis St. Wendel. Er habe sich bereits die Basilika, die Ottweiler Altstadt und die Tholeyer Abtei angesehen. Für Bliesen als Rastplatz entschied er sich spontan, als er die Kirche gesehen hat. "Ein sehr schönes Beispiel für Spätromanik", beschreibt er das Gotteshaus.

Zwölf Kilometer pro Stunde

Rüdell genießt die gemächliche Reisegeschwindigkeit von zwölf Kilometern pro Stunde seines froschgrünen Traktors Marke Kramer aus dem Baujahr 1963: "Er schafft zwar 16, aber dann fallen mir die Ohren ab." Beim langsamen Tuckern durch die Lande bleibt ihm der Blick frei für die Umgebung. Auf diese Weise gelangte er vom heimischen Bayern über Ost- und Norddeutschland ins Rheinland und schließlich ins Saarland. Unterwegs machte er auch stets Stopp in den angrenzenden Nachbarländern. Sobald er eine Stelle zum Halt auserkoren hat, steigt er auf seinen Roller, um die Gegend zu erkunden.

Ob er nicht gelegentlich, auf sich allein gestellt, Langeweile verspüre: "Ich bin kein Mensch, der Angst vor Einsamkeit hat. Außerdem begegnet mir fast überall ein Empfangskomitee, weil ich mit meinem Gefährt auffalle." Zur Zerstreuung stapeln sich 400 Bücher in den Regalen und im Zwischenboden seines 6,25 Meter langen Heimes. Zur Versorgung seines Laptops und der Musikanlage hat er ein Windrad am Heck und Solarzellen auf dem Dach angebracht. Ein Gasherd heizt der Espressokanne ein.

Ein Problem hat Wolfgang Rüdell, wenn er sich nicht gerade in einer Hochschulstadt anhält: "Es gibt fast nirgendwo mehr Waschsalons." Als Gegenleistung für Lesestunden in Seniorenheimen habe er deshalb schon öfter deren Wäscherei nutzen dürfen. Unliebsame Bekanntschaften habe er bisher nur einmal gemacht: "In Köln wurde mein Wagen aufgebrochen und verwüstet." Ansonsten habe er nur gute Erfahrungen gemacht.

Rüdell ist mittlerweile von Bliesen in Richtung Saarbrücken unterwegs, wo sein Großvater 1888 in St. Johann geboren wurde. Auf die Frage, was ihn hier im Saarland bislang am meisten beeindruckt habe: "Die Menschen sind sehr leutselig und weltoffen. Ganz anders als das Klischee, das ihnen oft anhaftet."

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