Mit 17 Jahren in die KZ-Hölle

Saarbrücken. Den Schülern des Deutsch-Französischen Gymnasiums bot sich am Freitag eine seltene Gelegenheit. Sie konnten den Auschwitz-Überlebenden Prof. Dr. John Steiner über dessen schreckliche Erlebnisse in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Dachau befragen. Entsetzt hörten die Schüler Steiner zu und stellten interessiert Fragen

Saarbrücken. Den Schülern des Deutsch-Französischen Gymnasiums bot sich am Freitag eine seltene Gelegenheit. Sie konnten den Auschwitz-Überlebenden Prof. Dr. John Steiner über dessen schreckliche Erlebnisse in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Dachau befragen. Entsetzt hörten die Schüler Steiner zu und stellten interessiert Fragen. Steiner wurde 1925 in Prag geboren. Weil seine Großeltern Juden waren, stuften die Nazis ihn und seine Eltern auf der Grundlage der Nürnberger Rassegesetze als "jüdisch-deutsche Familie" ein. Sie verhafteten und deportierten die Familie 1942. Um zu zeigen, wie die menschenverachtende Ideologie der Nazis funktioniert, bat Steiner die Schüler, sich Folgendes vorzustellen: "Eine Autorität erklärt alle Braunäugigen als minderwertig, und sie werden deswegen in Lager abtransportiert." Mit Blick auf die NS-Zeit sagte Steiner: "Zu viele haben mitgemacht, ohne sich Gedanken gemacht zu haben."Steiner schildert, dass er als 17-Jähriger "in die Hölle verfrachtet" wurde, als seine Odyssee durch die Konzentrationslager begann. Zunächst musste er mit seiner Familie ins Lager Theresienstadt. Dieses galt, wie Steiner sagte, als das Lager, "das am ehesten überlebbar war". Als 18-Jähriger kam er dann ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die Schüler waren sich einig, dass man sich die Situation eines KZ-Häftlings nicht vorstellen könne. Also baten sie Steiner, einen typischen Tagesablauf in Auschwitz zu schildern.Steiner erzählte: "Die Häftlinge mussten morgens um fünf Uhr aufstehen. Zum Frühstück gab es ein Stück Brot und einen Ersatzkaffee." Anschließend stand die knochenharte Arbeit an. Steiner: "Dabei hatte ich es noch gut mit meiner Aufgabe als Läufer." Er ging von einem Zwischenlager zum nächsten, um Nachrichten zu übermitteln. Dabei kam er oft an den Gaskammern vorbei und sah Menschen, die auf den Tod warteten. "Den beißenden Geruch der Desinfektionsanstalt nebenan habe ich bis heute noch manchmal in der Nase."Steiner schilderte seinen Transport von Auschwitz nach Dachau sehr eindrucksvoll: "80 bis 100 Menschen pferchte man übereinander in einen Waggon. Die Unteren erstickten sofort. Weil mein Selbsterhaltungstrieb sehr ausgeprägt war, kämpfte ich mich nach oben und überlebte." Da andere deswegen womöglich gestorben sind, plagen ihn heute noch Schuldgefühle. Steiner plädierte an die Moral der Schüler: "Man darf nie etwas glauben, nur weil es eine Obrigkeit vorgibt, wenn es nicht bewiesen ist." Er habe eine Verpflichtung den vielen Holocaustopfern gegenüber. Um für all diese Menschen zu sprechen, engagiert sich der 83-Jährige bis heute.

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