Minister wird Millionen nicht los

Saarbrücken · Während im Landesaufnahmelager Notbetten in Zelten belegt werden, lehnen Rathäuser Privatangebote für Flüchtlingswohnungen ab. Minister Klaus Bouillon (CDU) will solche Fälle jetzt vor Ort überprüfen.

 Bis Jahresende sollen 5000 Flüchtlinge dezentral in Wohnungen untergebracht werden. Doch zwölf Kommunen sträuben sich, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Foto:dpa/Hanschke

Bis Jahresende sollen 5000 Flüchtlinge dezentral in Wohnungen untergebracht werden. Doch zwölf Kommunen sträuben sich, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Foto:dpa/Hanschke

Innenminister Klaus Bouillon (CDU) sieht sich als Krisenmanager gefordert. Täglich ist er in der Landesaufnahmestelle in Lebach unterwegs. Dort sind mehr als 1800 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht, 455 leben in Zelten. Täglich kommen mehr Kriegsflüchtlinge, meist aus Syrien und Eritrea, in Lebach an. Am Wochenende waren es rund 300. In den nächsten Monaten wird mit jeweils 3000 Menschen gerechnet. Bouillon kündigt an, dass er bis zum Jahresende voraussichtlich bis zu 5000 Asylbewerber den 52 Kommunen zur Unterbringung zuweisen muss. Im ersten Halbjahr wurden bereits 2000 dezentral untergebracht.

Um den Kommunen dabei behilflich zu sein, wurde bereits vor Monaten ein Sofortprogramm zur Sanierung und zum Ankauf von Wohnungen auf den Weg gebracht. Bouillon wundert sich aber, dass nicht alle Bürgermeister von diesem bundesweit einmaligen Programm, für das zehn Millionen Euro zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Er spricht von "einigen Blockierern". Zwölf Kommunen, deren Namen er noch nicht nennen will, kämen nicht richtig in die Gänge. Im Klartext: Der Minister wird seine Millionen nicht los und es fehlen Wohnungen. Von zehn Millionen Euro seien erst sechs Millionen abgerufen. Bouillon macht jetzt Druck, will in Einzelgesprächen mit den Rathauschefs Überzeugungsarbeit leisten. Die Alternative wäre, dass er Asylbewerber einfach zuweist, dann müssten die Verwaltungschefs möglicherweise Ausweichquartiere in Hallen einrichten lassen. Für Bouillon ist ein solches Verhalten nicht nachvollziehbar: "In Lebach läuft das Lager über, Ehrenamtliche leisten Übermenschliches, Menschen sind in Not, aber einige Bürgermeister kooperieren nicht."

Ärger kommt bei Bouillon auf, wenn er erfährt, dass private Anbieter, die in Rathäusern Objekte zur Miete anbieten, abblitzen. Die Argumente: zu hohe Mietforderungen, nur kurzfristige Verträge oder salopp: "Kein Bedarf!" Bekannt ist, dass private Angebote über 50 und 90 Wohnungen abgelehnt wurden.

Bouillon fordert Privatanbieter, die solche Erfahrungen machen mussten, nun auf, sich im Innenministerium unter Telefon (06 81) 501-2190, -2192, -2233 oder per E-Mail an clearingstelle@innen.saarland.de zu melden. Einer seiner Mitarbeiter werde dann vor Ort den Fall abklären.

Lebach fordert Solidarität der übrigen Saar-Kommunen

Lebach. In einer Art Hilferuf hat sich die Stadt Lebach, in der jeden Tag rund einhundert neue Flüchtlinge in die Landesaufnahmestelle kommen, an das Land und die 51 übrigen Kommunen gewandt. Die derzeitige Situation sei für die Stadt auf Dauer nicht zu bewältigen, heißt es in einer vom Stadtrat beschlossenen Resolution. Die Landesregierung wird darin aufgefordert, ausreichend Personal für die Landesaufnahmestelle einzusetzen sowie genügend Unterkünfte, sanitäre Einrichtungen, Schlafgelegenheiten und Aufenthaltsräume einzurichten, um "mittelfristig eine menschenwürdige Unterbringung" zu sichern. Zudem solle das Land eine ärztliche Erstversorgung in der Landesaufnahmestelle sicherstellen und dafür sorgen, dass die anerkannten Flüchtlinge schneller auf die Kommunen verteilt werden könnten.

Um die eigene Stadt zu entlasten, wird in der Resolution "kommunale Solidarität mit Lebach" gefordert. Die übrigen Städte und Gemeinden im Land sollten kommunale Gebäude bereitstellen sowie privaten Wohnraum anmieten, um Flüchtlinge unterzubringen. Dazu sollten sie auch die vom Land angebotenen Fördermöglichkeiten nutzen. kir

Grüne: Regierungschefin schürt Vorurteile gegen Flüchtlinge

Saarbrücken. Die Forderung von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Menschen vom Balkan mit niedrigeren Leistungen von der Einreise nach Deutschland abzuhalten, stößt auf harsche Kritik der Grünen. Fraktionsvize Klaus Kessler teilte mit, diesen Menschen das Taschengeld zu kürzen oder zu streichen und durch Sachleistungen zu ersetzen, sei "eine reine Diskriminierung und eine unverantwortliche Einschränkung der persönlichen Freiheit". Kramp-Karrenbauer schüre Vorurteile, die fremdenfeindliche Gruppierungen immer wieder vorbrächten. "Wir dürfen Flüchtlinge und Asylbewerber nicht als Sozialschmarotzer abstempeln", so Kessler. Diese Menschen flöhen wegen katastrophaler Zustände in ihrer Heimat. FDP-Generalsekretärin Claudia Fuchs unterstützte Kramp-Karrenbauer. "Der ungeordneten Zuwanderung aus den Westbalkan-Ländern muss rasch entgegengewirkt werden, um Kapazitäten und auch die Akzeptanz für Kriegsflüchtlinge zu sichern."

Linken-Landeschefin Astrid Schramm forderte, den Kommunen Mittel für hauptamtliche Flüchtlingslotsen bereitzustellen. Die Kommunen würden mit der Integration und Betreuung völlig allein gelassen. kir

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