Millionen Augen helfen Fahndern

Saarbrücken · Ermordet, bestohlen, betrogen: Wenn Menschen Verbrechern zum Opfer fallen, gehören Phantombilder und Videos zu den Helfern der Polizei. Aber für den Einsatz dieser Werkzeuge gelten strenge Regeln. Und sie sollen nicht stumpf werden. Erst jüngst führte ein Fahndungsfoto zum Erfolg. Dabei ist die Tat schon Monate her.

Die 95-Jährige ließ im Supermarkt ihre Habseligkeiten am Rollator kurz aus den Augen. Schon fischte eine Diebin den Geldbeutel aus der Handtasche. Dann ging sie davon, die Beute hinter Schal und Steppjacke verbergend. Die Videoanlage des Marktes hielt am 19. Januar alles fest. Ende Juli ging die Polizei mit dem Bild der Diebin an die Öffentlichkeit . Offenbar mit Erfolg. Zeugen erkannten die Frau auf dem Foto, wie die Inspektion Burbach am Donnerstag mitteilte.

Am 4. August gaben die Fahnder das Phantombild eines Betrügers heraus, der einen Goldkäufer um 3000 Euro gebracht hat und noch nicht ermittelt ist. Tattag: 3. Dezember 2014.

"Warum diese Verzögerungen?", dürften sich viele fragen. Überlastete Polizisten? Übervorsichtige Staatsanwälte und Richter? Antworten gibt Sarah Sersch von der Polizei .

Demnach hat das mitunter lange Warten auf Phantombilder nichts mit den Leuten zu tun, die sie erstellen. Sondern mit der Schwere der Tat und der Qualität der Beweise. Sobald der ermittelnde Polizist einen guten Zeugen sowie grünes Licht von Staatsanwalt und Richter hat, sagt er im Landespolizeipräsidium Bescheid.

Der Zeuge beschreibt dort einem Spezialisten den Täter. Mit Hilfe eines Computerprogramms ist das Phantombild nach zwei bis drei Stunden fertig. Wann die Polizei mit Fotos und Phantombildern fahndet, hängt Sersch zufolge vor allem vom Delikt ab, vom gesetzlich verankerten "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz". "Hier spielen besonders das durch die Tat verursachte Leid der Opfer, der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte sowie die Gefahr einer Vorverurteilung der Verdächtigen oder eine Beeinträchtigung ihrer Resozialisierungschancen eine Rolle."

Und Ermittler wollen ihre Arbeit nicht aufs Spiel setzen. "So kann eine Öffentlichkeitsfahndung dazu führen, dass Verdächtige untertauchen oder ihr Aussehen verändern, um nicht erkannt zu werden."

Außerdem solle die Öffentlichkeitsfahndung als Werkzeug nicht stumpf werden, gibt Sersch zu bedenken. "Eine übermäßig häufige Inanspruchnahme der Medien wirkt sich erfahrungsgemäß nachteilig auf das Interesse und die Unterstützungsbereitschaft der Bevölkerung aus." Daher werde eine Öffentlichkeitsfahndung in bestimmten Fällen schon zu Beginn der Ermittlungen veranlasst, in anderen Fällen später - oder gar nicht.

Der Staatsanwalt, in Krimis oft kleinlicher Bremser der Polizeiarbeit, hat jedenfalls nichts damit zu tun, wie Oberkommissarin Sersch versichert. Die Frage, ob es schwer sei, über den Staatsanwalt einen Gerichtsbeschluss zu beschaffen, beantwortet sie denkbar knapp: "Nein." Bei schweren Taten laufe eine Öffentlichkeitsfahndung sogar sehr schnell an. Beispiel: ein Tötungsdelikt Mitte Juli in Dillingen. Opfer: eine 63-Jährige. Verdächtig: ein 55-Jähriger. Schon Tage nach der Tat fahndete die Polizei mit einem Foto des Mannes und der Beschreibung seines Fahrzeugs. Kurz darauf entdeckte eine Zeugin das Auto. Die Spur führte zum Gesuchten. Und vielleicht hilft ja das Phantombild in diesem Artikel bei der Jagd nach dem Betrüger mit den falschen Ketten.

Wer ihn erkennt, melde sich bei der Kriminalpolizei, Tel. (06 81) 9 62 21 30.

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