Mehr Klagen über Kameras in Büro und Café

Saarbrücken · Die fortschreitende Digitalisierung des Alltags sorgt für neue Herausforderungen im Datenschutz. Im Saarland haben in den letzten beiden Jahren Beschwerden über Videokameras deutlich zugenommen.

Gemütlich einen Kaffee trinken oder abends ein Bier mit Freunden: Wer sich dazu in einem Café oder einer Gaststätte trifft, rechnet kaum damit, dass eine Kamera den Aufenthalt festhält. Doch die Beschwerden über nicht erlaubte Videoüberwachung sind nach Auskunft des Unabhängigen Datenschutzzentrums Saarland in den vergangenen zwei Jahren "exorbitant" angestiegen. Auch in anderen Bereichen registrieren die Landesdatenschutzbeauftragte Judith Thieser und ihre Mitarbeiter einen laxen Umgang mit persönlichen Daten.

Den Fall eines besonders uneinsichtigen Gastronomen schildert der gestern vorgestellte Tätigkeitsbericht des Datenschutzzentrums für die Jahre 2013 und 2014: Den gesamten Gehweg und die Straße vor seinem Betrieb überwachte der Gastronom mit Kameras. Dies sei notwendig, argumentierte er, da in der Vergangenheit Kundenfahrzeuge beschädigt wurden sowie die Fassade mit Graffiti beschmiert wurde. Ihm wurde erlaubt, einen Meter ab der Hausfassade zu filmen. Doch er widersetzte sich der Auflage. Erst nach der Ankündigung, das nicht gezahlte Zwangsgeld werde durch Beamte des Finanzamts eingetrieben, rüstete der Gastronom um.

Auch die Überwachung am Arbeitsplatz monieren die Datenschützer im Bericht. So filmte ein Apotheker den Verkaufsraum sowie den Betäubungsmittelschrank, weil er das Personal verdächtigte, Medikamente zu stehlen. Doch der Medikamentenschwund ereignete sich während der Videoüberwachung, Mitarbeitern konnte kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Die Überwachung sei ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und in diesem Fall nicht erforderlich, entschieden die Datenschützer . Wann eine Videoüberwachung zulässig ist, haben sie in einer Handreichung zusammengefasst (abzurufen unter datenschutz.saarland.de ).

Nur in Ausnahmefällen sei die permanente Videoüberwachung von Beschäftigten denkbar, etwa in besonders gefahr trächtigen Arbeitsbereichen. Die Installation einer Videoüberwachung im Betrieb, die das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten dokumentiert, sei mitbestimmungspflichtig durch den Betriebsrat.

Ein Verstoß gegen den Datenschutz lag auch vor, als ein Hilfspolizist auf Informationen über Bußgeldverfahren aus einer kommunalen Datenbank zurückgriff und diese für private Zwecke nutzte. Die Kommune habe eine neue Software für Bußgeldsachen eingeführt, dann aber vergessen, das alte Verfahren abzuschalten, den Anwendern die Zugriffsberechtigungen zu entziehen und die Daten zu löschen.

In einem anderen Fall habe ein Busunternehmen einen Verkehrsgutachter damit beauftragt, die Auslastung bestimmter Linien zu überprüfen. "Hierbei wurden Fotos der Schülerfahrausweise gemacht, ohne dass die Fahrgäste über diese Maßnahme und den Grund im Vorfeld informiert wurden", heißt es im Bericht.

Als positiv vermerkt Thieser, dass immer öfter öffentliche Stellen die Datenschützer um ihre Expertise fragen und dass Datenschützer frühzeitig etwa in Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden. "Dies erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern macht auch eine frühzeitige Steuerung möglich", sagte sie.

Nicht einverstanden zeigt sich die Datenschutzbeauftragte mit Teilen des novellierten Verfassungsschutzgesetztes im Saarland. Sie hatte mehr Transparenz der nachrichtendienstlichen Aktivitäten gegenüber dem Parlament sowie eine Stärkung der parlamentarischen Kontrollgremien gefordert. Nur so könne verloren gegangenes Vertrauen in Zusammenhang mit den NSU-Morden zurückgewonnen werden.

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