Medizin und Zuwendung

Regionalverband · Kirchenasyl – bei diesem Thema geht es manchmal um eine juristische Grauzone, immer jedoch um Menschen. Und Menschen, zumal Flüchtlinge, können krank werden. Dr. Cornelia Rupp-John hat ein Netz aus hilfsbereiten Medizinern aufgebaut.

 Küche und Kirche: In einer Kirche im Regionalverband Saarbrücken wurde auch schon mal ein Turmzimmer hergerichtet, um als Unterkunft für Menschen im Kirchenasyl zu dienen. Fotos: C.Rupp-John

Küche und Kirche: In einer Kirche im Regionalverband Saarbrücken wurde auch schon mal ein Turmzimmer hergerichtet, um als Unterkunft für Menschen im Kirchenasyl zu dienen. Fotos: C.Rupp-John

Aus dem großen Strom der Flüchtlinge landen auch einige wenige im Regionalverband Saarbrücken. Kirchenasyl ist dabei ein kleiner Bereich, der Flüchtlingen die entscheidende Zeit geben kann, eine mögliche Abschiebung doch noch zu verhindern. Das Kirchenasyl kann dabei von wenigen Wochen bis zu einem halben Jahr dauern. Juristisch ist es eine Grauzone, wird aber doch den Kirchen zugebilligt - auch unter humanitären Gesichtspunkten. Gewährt eine Kirchengemeinde Kirchenasyl , dann übernimmt sie die Verantwortung für Unterbringung, Lebensunterhalt und Kleidung des Asylsuchenden - und auch für die medizinische Betreuung, denn wer im Kirchenasyl ist, der ist nicht versichert.

Cornelia Rupp-John, Hautärztin aus Püttlingen, engagiert sich seit Jahren in der Arbeit für Menschen im Kirchenasyl , speziell auch für deren medizinische Versorgung. Im Laufe der Zeit hat sie ein Netzwerk aus hilfebereiten Medizinern aufgebaut, eine lockere Verbindung, zu der momentan 25 saarländische Fach- und Hausärzte, sowie zwei Zahnärzte gehören.

"Viele der Flüchtlinge, die ich kennengelernt habe, haben eine dramatische, manchmal mehrjährige Fluchtgeschichte hinter sich. Und auch die anschließende Bedrohung von Abschiebung ist eine äußerst belastende Situation", sagt Cornelia Rupp-John. Mitunter wäre also auch eine psychologische Betreuung wichtig, andererseits sei aber schon die Zuwendung, das Wissen, da kümmern sich Menschen um einen, die wohlgesonnen sind, schon hilfreich: "Menschliche Zuwendung schenkt Sicherheit und Selbstvertrauen, sie stärkt die Zuversicht." Die zu behandelnden Krankheiten sind sehr weit gefächert. Sie reichen von psychosomatischen Störungen über eine gewöhnliche Erkältung, von Bagatellverletzungen bis hin zu speziellen Frauenthemen. Es gehe aber auch mal um die Behandlung von Knochenbrüchen oder, wie in einem Fall geschehen, die Behandlung eines mutmaßlichen Herzinfarktes.

Der Kontakt bleibt bestehen

Die Ärztin schildert, dass die Kirchengemeinden auch später oft noch mit den Flüchtlingen in Kontakt bleiben, um etwa bei der Wohnungssuche, bei Schul-und Berufsausbildung oder ganz allgemein bei der weiteren Integration Unterstützung anzubieten.

Ausländerbehörden und beteiligte Institutionen würden das durchaus anerkennend zur Kenntnis nehmen. Was für Menschen sind das eigentlich, denen die Püttlinger Ärztin im Kirchenasyl begegnet? "Fast nur Männern, überwiegend sind sie jung, Frauen haben es oft viel schwerer, so eine Flucht anzutreten", schildert Cornelia Rupp-John. Die Geschichten hinter den Fluchten sind sehr unterschiedlich, oft grausam und entbehrungsreich. Es gibt auch vergleichsweise problemlose Fluchten. Aber auch Fluchten junger Leute, die die Plünderung ihrer Habe miterleben mussten oder gar die Ermordung eines nahen Angehörigen. Einen jungen Afghanen hatten die Taliban in ihre Dienste gezwungen. Ein junger Eritreer war mit dem Versprechen geködert worden, das Abitur machen zu dürfen, doch dann fand er sich als Kämpfer einer der Krieg führenden Gruppierungen wieder.

Grundsätzlich, so schildert Cornelia Rupp-John, habe sie es immer mit "guten" Menschen zu tun gehabt. Denn wenn eine Anfrage oder Empfehlung kommt, diese oder jene Person im Kirchenasyl aufzunehmen, dann könne man davon ausgehen, dass die Empfehlung auch deswegen ausgesprochen wird, weil es sich um Menschen handelt, die eine letzte Chance durch das Kirchenasyl auch verdient haben - auch die Chance, eine erfolgreich begonnene Integration fortzusetzen.

Viele Kirchengemeinden und Unterstützerkreise wollen lieber kein Aufsehen um ihr Engagement machen. Sie gewähren "stilles Kirchenasyl ", das nicht an die große Glocke gehängt wird und bei denen die konkreten Orte nicht öffentlich gemacht werden.

Soweit dem Innenministerium bekannt - dem lediglich der Beginn eines Kirchenasyls gemeldet werden muss - gab es im Saarland 2014 insgesamt 18 Fälle von Kirchenasyl , davon neun Fälle im Regionalverband .

Cornelia Rupp-John berichtet von einer Gemeinde im Regionalverband , die zum Beispiel zwischen 2012 und 2014 für jeweils zwei bis sechs Monate - in einem Ausnahmefall 13 Monate - Flüchtlinge im Alter von 17 bis 46 Jahre aufgenommen hatte, darunter vier afghanische jugendliche Muslime , einen syrisch-kurdischen Jesiden, einen irakischen und einen syrischen Christen, eine iranische Christin und zwei Muslime aus Syrien, "in allen Fällen konnte die Abschiebung verhindert werden". Grundsätzlich gelte: Kirchenasyl über eine so lange Zeit könne eine Gemeinde guten Gewissens nur dort gewähren, wo sie geeignete Räume besitzt, wo sie auf Mieteinnahmen verzichtet und wo es eben auch Menschen gibt, die sich bei der Betreuung der Hilfesuchenden engagieren. Auch das Anbieten selbst organisierter Sprachkurse sei sehr hilfreich.

 Cornelia Rupp-John.

Cornelia Rupp-John.

Zum Thema:

Zur Person Cornelia Rupp-John (45), Mutter einer Tochter, lebt seit 17 Jahre in Püttlingen und betreibt dort mit ihrem Mann eine Praxis. Während ihrer Ausbildung war sie selbst oft im Ausland. So lebte sie zwei Jahre im Rahmen eines Austauschprojektes der Uni Köln in Cleveland im US-Bundestaat Ohio in einem Haus, in dem - aus amerikanischer Sicht - fast nur Ausländer wohnten: "Da gab es zum Beispiel einige Chinesen, Türken, einen Elsässer, und jeden Abend hat jemand anderes gekocht - es war eine gute Gemeinschaft", schildert sie. Das habe sie geprägt und darin bestärkt, sich im Kirchenasyl zu engagieren. Zudem empfindet sie ihr Engagement "als etwas Urchristliches - Christentum nicht von oben." Auch die Bibel beinhalte die Aufforderung, "Menschen auf der Flucht beizustehen". mr

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