Mäuschen spielen bei den "Ratten"

Saarbrücken. Alle Augen sind jetzt auf ihn gerichtet: Mit grauer Mähne und Bart sieht Klaus Meininger beinahe aus wie der "Dude", die Paraderolle von US-Schauspieler Jeff Bridges aus dem Film "The Big Lebowski". Klaus Meininger lacht laut. Sein Lachen übertönt das Stimmengewirr, bis es verstummt; es füllt den großen Probenraum im Saarländischen Staatstheater

Saarbrücken. Alle Augen sind jetzt auf ihn gerichtet: Mit grauer Mähne und Bart sieht Klaus Meininger beinahe aus wie der "Dude", die Paraderolle von US-Schauspieler Jeff Bridges aus dem Film "The Big Lebowski". Klaus Meininger lacht laut. Sein Lachen übertönt das Stimmengewirr, bis es verstummt; es füllt den großen Probenraum im Saarländischen Staatstheater. Eben noch Durcheinander und Diskussionen. Jetzt ist da nur noch das Lachen von Klaus Meininger.Habe ich etwas verpasst? Hat wer einen Witz gemacht? Hans-Georg Körbel vielleicht, der erfahrene Schauspieler, der den ehemaligen Theaterdirektor Harro Hassenreuter gibt? Er scherzt in jeder freien Minute. Regisseurin Dagmar Schlingmann etwa? Erst nach einigen Augenblicken begreifen die Übrigen, was in dem "Dude" vor sich geht. Schauspieler Meininger lacht sich in die Szene hinein. Er spielt den Maurerpolier John in Gerhart Hauptmanns Stück "Die Ratten". Meininger hat längst aufgehört, Mensch zu sein - er ist jetzt Rolle.

Anfangs ist die Atmosphäre im Saal entspannt. Es wird gegrüßt, es wird gescherzt. Während des Lachanfalls sind alle wieder voll konzentriert. Schließlich wird wieder geprobt. Schauspieler sein meint: harte Arbeit. Denn oft, um nicht zu sagen ständig, bricht Regisseurin Dagmar Schlingmann ab. "Mach übertrieben!" Oder: "Das muss fließen!" Während der Proben gibt es kein Publikum, nur die Regisseurin. Sie darf übertrieben reagieren, sie muss. Immer wieder einmal wird Schlingmann bei komischen Stellen ähnlich laut auflachen, wie zuvor Klaus Meininger. Sie gibt den Schauspielern Anregungen. So erarbeiten Schauspieler und Regisseurin gemeinsam Szene für Szene, wie sie später dann in der Vorführung für alle zu sehen sein wird. Aber - muss denn wirklich so oft von vorne angefangen werden?

Schauspieler sein heißt geduldig sein. Bei kleinen Hängern schreitet die Souffleuse ein. Ist das Durcheinander zu groß, bricht Schlingmann ab. Und dann? Das Ganze noch mal von vorne. Würde es nicht reichen, da einzusetzen, wo etwas schiefgelaufen ist? Das kann dauern. Christiane Motter spielt das Dienstmädchen Pauline. Ihr erster Einsatz kommt zunächst viel zu früh. Verständlich. Zu Beginn der Szene sitzt Pauline ungerührt auf einer Bank. Bis sie aus dem Hintergrund ins Geschehen eingreifen darf, vergehen während der Aufführung vielleicht ein paar Minuten. Bei den Proben dauert es fast eine halbe Stunde, bis Christiane Motter zu ihrem ersten Einsatz kommt.

Schauspieler sein heißt diszipliniert sein. Roman Konieczny ist Erich Spitta. Für seine Rolle geht es von einem Extrem ins andere. Wild tobend muss er zunächst seiner Wut freien Lauf lassen, um dann, wiederum wild, mit Kollegin Dorothea Lata eine Kussszene aufzuführen. Ständig treten sich die beiden auf die Füße. Zwischen den Küssen muss der Text sitzen, eng umschlungen sollen sie dann die Bühne durch einen Seitenausgang verlassen. Mehr Choreografie als Leidenschaft. Mit Romantik hat das wenig zu tun. Die beiden benötigen mehrere Versuche. Und dennoch sieht diese Szene schon bei den Proben ziemlich rund aus.

Bis zur Premiere hat das Ensemble noch viel Arbeit vor sich. Fast genau hundert Jahre nach der Uraufführung des Stücks in Berlin feiert "Die Ratten" von Gerhart Hauptmann in der Alten Feuerwache in Saarbrücken Premiere. Dann zeigt sich, ob sich die harte Arbeit gelohnt hat.

Premiere "Die Ratten" von Gerhart Hauptmann am Freitag, 13. Januar, 19.30 Uhr, in der Alten Feuerwache. Karten im Vorverkauf unter Telefon (06 81) 3 09 24 86.

"Mach übertrieben!"

Regisseurin Dagmar Schlingmann

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