Märchenhaftes Action-Theater

Saarbrücken. "Dorothy?!" Ein verzweifelter Schrei dringt aus der Kehle von Verwandten und Freunden. Ob das kleine Mädchen, das bei einem Wirbelsturm spurlos verschwunden ist, jemals wieder nach Kansas zurückkehrt? Keine Bange: Dorothy muss zwar aufregende Abenteuer bestehen, aber sie kommt wohlbehalten heim. Amerikanische Kinder wissen das

Saarbrücken. "Dorothy?!" Ein verzweifelter Schrei dringt aus der Kehle von Verwandten und Freunden. Ob das kleine Mädchen, das bei einem Wirbelsturm spurlos verschwunden ist, jemals wieder nach Kansas zurückkehrt? Keine Bange: Dorothy muss zwar aufregende Abenteuer bestehen, aber sie kommt wohlbehalten heim. Amerikanische Kinder wissen das. Denn für sie ist "Der Zauberer von Oz" ("The wizard of Oz") aus dem Jahre 1900 ungefähr so wie für unsereins "Hänsel und Gretel" oder "Schneewittchen". Das Saarländische Staatstheater bringt L. Frank Baums Klassiker nun als Weihnachtsmärchen auf die Bühne. Dass eben diese Zicken macht, zeigt sich beim Probenbesuch. Die Drehbühne ist kaputt, weshalb Dorothy (als Gast: Julia Sontag, 21-jährige Absolventin der Bayerischen Theaterakademie München) nicht so ohne weiteres im Land der Munchkins landen kann: Die Kulisse (Bühnenbild: Jasna Bosniak) muss für jedes Bild erst umgebaut werden. Diskussionen. Steht Dorothys Elternhaus an der richtigen Stelle? Alle, einschließlich Darsteller und Intendantin Dagmar Schlingmann, die ebenfalls vorbeischaut, grübeln mit. Und kann das bizarre Spinnengewand (Kostüme: Esther Criado Valladares) der bösen Hexe des Westens (Nina Schopka) so bleiben? Ist es nicht vielleicht zu sexy? Kaum etwas scheint fertig, aber das ist bloß der vor Premieren übliche ganz normale Wahnsinn. Der märchenhaften Atmosphäre tut all dies keinen Abbruch: Kathrin Aebischer als freundliche Nordhexe saust in einem von Schmetterlingen glitzernden Roller durch die Gegend; Schopka alias Westhexe fliegt an einem Seil oben vorbei und droht aus Vogelperspektive der Vogelscheuche (Ron Zimmering). Doch da, schwups, wird's plötzlich modern: Die Musik (gesungen wird auf deutsch; Arrangement und Musikeinspielung: Achim Schneider) klingt funky, und die Vogelscheuche tanzt wie Michael Jackson (Choreografie: Daniela-Katrin Strobl). Der Zauberer von Oz - keine olle Kamelle also? Nein, meint Regisseur Jörg Wesemüller, der den SST-Jugendclub leitet und das Stück selbst ausgesucht hat. Allein schon Dorothys familiäre Situation - sie wächst bei Onkel und Tante auf - gleiche den heute üblichen Patchwork-Verhältnissen. Wesemüller will den Klassiker aus modernem Blickwinkel erzählen. Seine Dorothy ist kein ängstliches, braves Mädchen: Die Geborgenheit eines Heims bleibe zwar von Bedeutung, doch möchte er vor allem ihren Mut und die Lust betonen, in die Welt hinauszuziehen und neue Freunde zu finden. Vor Erwartungshaltungen hat Wesemüller keinen Bammel: Victor Flemings legendäre Verfilmung von 1939 mit der jungen Judy Garland in der Hauptrolle sei innerhalb der angestrebten Zielgruppe, Kinder ab sechs Jahren nämlich, ja kaum mehr bekannt. Und fürs große Haus sei der Stoff auch gut geeignet, da er weniger auf "feine, kleine Spielszenen" als auf "kräftige Aktionen" setze.Premiere: Sonntag, 15. November, 17 Uhr, Staatstheater. Weitere Termine unter www.saarlaendisches-staatstheater.de. Karten: Tel. (06 81) 3 09 24 86

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