Leidenschaftliche Forscherin in der Welt der Töne

Saarbrücken · Musiker und ihr Instrument: eine lebenslange Beziehung. Wie finden Mensch und Instrument zusammen? Was fasziniert an einem Instrument? Wir gehen in loser Folge diesen Fragen im Gespräch mit Künstlern auf den Grund. Heute: die Saxofonistin Nicole Johänntgen aus Camphausen.

 Nicole Johänntgen hörte mit 13 Jahren Candy Dulfer Saxofon spielen, danach war klar, dass das ihr Instrument war. Fotos: Johänntgen

Nicole Johänntgen hörte mit 13 Jahren Candy Dulfer Saxofon spielen, danach war klar, dass das ihr Instrument war. Fotos: Johänntgen

"Es isch guet zwäg gsi", rief Nicole Johänntgen aus, als sie das Paket aus Amerika öffnete. Die Musikerin ist zwar gebürtige Saarländerin, aber seit sie in Zürich lebt, spricht sie gern Schwyzerdütsch. Der mit Spannung erwartete Inhalt des Paketes war ein C-Melody-Saxofon, ein altes Instrument von 1920. Bei Ebay hatte sie das Instrument für 125 Dollar ersteigert, der Zustand war hervorragend, und Nicole Johänntgen hatte deshalb allen Grund zum Jubeln. Allzu oft kommt das C-Melody-Saxofon allerdings nicht zum Einsatz. Es hat sich, im Gegensatz zu Alt- und Sopransaxofon, nicht wirklich in der Musik durchgesetzt.

Nicole Johänntgens Weg zur Musik und zum Saxofon führte über das Klavier. Der Vater ist ein begeisterter Hobbymusiker, der Klavier und Gitarre spielt. "Meine Mama hört gerne zu." Die quirlige Musikerin lacht unvergleichlich ansteckend, gerne und oft. Als kleines Mädchen erreichte sie gerade mal die Klaviertastatur und klimperte darauf rum, da hatte der ältere Bruder schon Unterricht an der Musikschule Sulzbach-/Fischbachtal. Nacheifern will sie ihm und beginnt Klavier zu lernen, als sie sieben Jahre alt ist.

Die musikbegeisterten Eltern zeichnen Fernsehsendungen mit internationalen Künstlern sogar auf Videobänder auf. "Ohne Filter extra" ist die erklärte Lieblingssendung der Familie. Und da passiert es. In Richtung Kinderzimmer ruft der Bruder, da sei eine Frau, die Saxofon spielt. Die damals 13-jährige Nicole setzt sich im Schneidersitz vor die Mattscheibe und ist hin und weg. Candy Dulfers Spiel am Saxofon ist ihr Weckruf. Der Vater kauft der Tochter ein Yamaha-Saxofon, der erste Lehrer wird Dieter Kraß.

Nicole Johänntgen unterrichtet heute selbst Kinder und Jugendliche und weiß, dass der Wille alleine nicht ausreicht, um eine erfolgreiche Beziehung mit dem Instrument einzugehen. "Wenn du das Instrument siehst, ein kleines Flämmchen, eine grüne Ampel, dann fährst du einfach durch, dann macht's einfach Spaß." Leise sagt sie das, aus dem Herzen sprechend. Für sie, sei das Instrument die Verlängerung ihrer Lunge. "Ich kann all das ausdrücken, was in mir brodelt."

Und das ist einiges, wie die Musikerin auf Konzerten rund um den Globus, aber auch immer wieder im Saarland unter Beweis stellt. Die Vielfältigkeit an Klang und Musikstilen, die ihre Lieblingsinstrumente, das Alt- und Sopransaxofon ermöglichen, fasziniert sie. "Die beiden Saxofone hören sich so unterschiedlich an, wie Tag und Nacht, Alt ist funky, Sopran lyrisch." Sie bringt Stunden damit zu, in die Klangwelt ihrer Instrumente abzutauchen und nennt das "forschen". Das geschieht beim Üben in einem Luftschutzbunker, ihrem Probenraum. An Hand- und Fingerfertigkeit, der Grifftechnik tüftelt sie, auch Mund, Kiefer, Zunge sind am Forschen beteiligt.

Das Altsaxofon der Marke Selmer "Mark VI" begleitet die Musikerin seit 14 Jahren bei Forschungs- und Konzertreisen. In Lahr hat sie es bei einem Instrumentenhändler gefunden. Gebaut wurde es 1963 und reiste von Australien nach Deutschland bis in die Hände der Saarländerin, die an der Musikhochschule in Mannheim weiter an ihrer Laufbahn schmiedete. Schon im ersten Studienjahr war, der Big Band wegen, die Anschaffung eines Sopransaxofons zwingend. Sie spielte es zwar, war aber nicht gepackt. "Baba daduba, baba daduja", Nicole Johänntgen intoniert einen Titel von John Coltrane und füllt mit swingenden Silben den Raum aus, als sie sich daran erinnert, wie sie diese Sopransaxofon-Aufnahme hörte. Die gab ihr die Initialzündung, Sopransaxofon ernsthaft spielen zu wollen. Das Selmer-Instrument aus dem Jahre 1972 fand sie über ein Inserat einer Online-Zeitung, "passt wie ein Kleidungsstück", sagt sie strahlend.

Erfunden wurde das Saxofon von dem Belgier Adolphe Sax, 1929 erwarb Henri Selmer Werkstatt und Patent. Wer ein Saxofon betrachtet, zweifelt nicht, dass es sich um ein Blechblasinstrument handeln müsse. Tatsächlich aber ist es ein Holzblasinstrument, entsteht der Ton doch mit Hilfe eines Rohrblättchens. Die Blättchen kauft Nicole Johänntgen im Päckchen und merkt sofort, welches davon nicht gut genug ist, um gespielt zu werden. Eine Vollblut-Profimusikerin hört das.

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