Lange über die Verhältnisse gelebt

Sulzbach · „Ist das Saarland noch zu retten?“ – so lautete das Motto eines Diskussionsabends unter Leitung des SZ-Journalisten Daniel Kirch. Reinhard Klimmt und Hanspeter Georgi legten ihre Sicht der Dinge dar.

 Aufmerksam verfolgten die vielen Zuhörer die Gesprächsrunde in der Sulzbacher Aula. Fotos: Thomas Seeber

Aufmerksam verfolgten die vielen Zuhörer die Gesprächsrunde in der Sulzbacher Aula. Fotos: Thomas Seeber

Reinhard Klimmt, Daniel Kirch und Hanspeter Georgi (von links) lieferten sich eine angeregte Diskussion zur Zukunft des Saarlandes.

Reinhard Klimmt, Daniel Kirch und Hanspeter Georgi (von links) lieferten sich eine angeregte Diskussion zur Zukunft des Saarlandes.

Was passiert, wenn zwei ältere Herren, zudem Nicht-Saarländer, über die Zukunft unseres Bundeslandes sprechen? Im Fall des Ex-Bundesverkehrsministers und saarländischen Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt und des früheren saarländischen Wirtschaftsministers Hanspeter Georgi (beide 1942 in Berlin geboren) entspinnt sich daraus eine durchaus spannende Podiumsdiskussion, die am Montagabend unter der Leitung des SZ-Journalisten Daniel Kirch über 50 Gäste in der Sulzbacher Aula in ihren Bann zog. Das Motto des Abends "Ist das Saarland noch zu retten" nannte Sulzbachs Bürgermeister Michael Adam in seiner Einführung eine "existenzielle Frage, die nicht nur in der Politik sondern auch in der Bevölkerung diskutiert wird".

Dass im Saarland gespart werden muss, darüber herrschte zwischen Sozialdemokrat Klimmt und Christdemokrat Georgi Einigkeit. Doch den nötigen Umfang der mittlerweile im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse definieren beide unterschiedlich. "Ohne die Einhaltung der Schuldenbremse werden die gestalterischen Spielräume noch kleiner", behauptete Georgi und rechnete vor, dass sonst 260 Millionen Euro Unterstützung und 100 Millionen Euro aus dem Länderfinanzausgleich weniger ins Saarland fließen würden. Angesichts einer jährlichen Zinslast von rund 500 Millionen Euro forderte Georgi eine weitere Teilentschuldung des Landes. "Wir können in gewissen Bereichen sparen", räumte Klimmt ein, "aber wir müssen schauen, dass wir in wichtigen Fragen nicht unter einen Level fallen, den wir qualitativ zum Leben brauchen." Einschnitte in Bildung, vor allem bei der Universität, lehnte er ab. "Was wir brauchen sind Investitionen", so Klimmt, "wir dürfen unsere Infrastruktur nicht verkommen lassen. Die Saarlandhalle taugt nichts mehr, ein ordentliches Fußballstadion gehört zu einer Region, die Selbstbewusstsein hat."

Georgi hingegen forderte eine Prioritätenliste für Investitionen, da müsse ein Stadion eben warten: "Angesichts der demographischen Entwicklung können wir die Infrastruktur nicht mehr aufrecht erhalten, weil ganz einfach die Bevölkerung fehlt." Übereinstimmend fanden beide, dass das Saarland personell lange Zeit über seine Verhältnisse gelebt hat. Georgi räumte ein, dass ein unter den Ministerpräsidenten Oscar Lafontaine und Klimmt begonnener Personalabbau von deren CDU-Nachfolger Peter Müller wieder umgekehrt wurde.

Die Folge: Wachsende Pensionsansprüche belasten heute den Landeshaushalt. Darum forderte Georgi eine weitere Verschlankung der Regierung.

Nicht jedes Ministerium müsse eine eigene Personal- oder Rechtsabteilung haben. Auch müsse geprüft werden, ob sich das Saarland weiter für jeweils 20 000 Bürger einen Abgeordneten leisten kann. In Schleswig Holstein kommen 40 000 Wähler auf ein Mandat, andernorts deutlich mehr. Die Umstellung auf ein "Feierabend-Parlament" lehnten beide ab.

Klimmt und Georgi fühlen sich - obwohl nicht im Land geboren - als Saarländer. "Ich bin überzeugter Saarländer, und die Konvertiten sind die ja bekanntlich die schlimmsten", scherzte der Saarbrücker Klimmt, und der Sulzbacher Georgi ergänzte: "Ich fühle mich hier wohl seit 1972. Mich bekommt hier keiner weg." Eine Neugliederung der Bundesländer und damit ein Ende der Eigenständigkeit des Saarlandes lehnten beide Ex-Politiker auch deshalb ab.

"Das Saarland muss im Ranking der Bundesländer weiter nach vorne, die notwendige Wirtschaftskraft ist vorhanden", glaubt Georgi, "das ist das beste Marketing."

Klimmt dagegen sieht die Chancen in der Großregion: "Wir haben nur eine Zukunft gemeinsam mit unseren Nachbarn in der Westpfalz, Lothringen und Luxemburg. Um diese mitzugestalten, brauchen wir unsere Eigenständigkeit."

Das Saarland ist also offenbar doch noch zu retten - nur über die geeigneten Maßnahmen werden nicht nur Reinhard Klimmt und Hanspeter Georgi weiter diskutieren.

Daniel Kirch ,,Ist das Saaarland noch zu retten?" (Gollenstein Verlag 2014) 21,90 Euro.

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