Kunst aus dem Knast

Völklingen. Einmal in der Woche muss Christel Traut in den Knast. In letzter Zeit war das sogar öfters der Fall. Längst sieht sie die Gitter nicht mehr, wie sie sagt. Nach fast 15 Jahren im Wechsel zwischen freier und abgeschlossener Welt ist für sie schon so etwas wie Routine eingekehrt

 Am Freitag war Aufbau angesagt: Hier hängt Christel Traut zusammen mit dem Insassen Hans Jürgen Reisenauer (links) und dem Justizbeamten Christian Hauper die Bilder auf. Foto: Jenal

Am Freitag war Aufbau angesagt: Hier hängt Christel Traut zusammen mit dem Insassen Hans Jürgen Reisenauer (links) und dem Justizbeamten Christian Hauper die Bilder auf. Foto: Jenal

Völklingen. Einmal in der Woche muss Christel Traut in den Knast. In letzter Zeit war das sogar öfters der Fall. Längst sieht sie die Gitter nicht mehr, wie sie sagt. Nach fast 15 Jahren im Wechsel zwischen freier und abgeschlossener Welt ist für sie schon so etwas wie Routine eingekehrt.Christel Traut ist seit 1998 ehrenamtliche Vollzugshelferin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Saarbrücken und hat 2010 dafür die Verdienstmedaille der Bundesrepublik verliehen bekommen (wir berichteten). Unter ihrer Anleitung suchen Mörder und Betrüger nach dem perfekten Pinselstrich. Berührungsängste hat sie nicht. "Meine Jungs", sagt Traut, "sind ganz normale Menschen, wie Sie und ich." Sie leben abgeschnitten "wie in einem Städtchen", oft fällt ihnen die Decke auf den Kopf. "Ich komme rein und bringe die Freiheit mit!"

"Kunst im Knast" heißt das Projekt, für das Christel Traut seit Mai dieses Jahres sogar ein neues Atelier in der Werkhalle der JVA nutzen darf. Im Schnitt betreut sie sechs bis acht Schüler. Mehr schafft sie nicht, weil sie sich wirklich um sie und um ihre künstlerische Entwicklung kümmern möchte; auf der Warteliste stehen acht weitere Inhaftierte.

Die Männer verbüßen Strafen für die unterschiedlichsten Taten. Beklemmend war es in den vielen Jahren für Traut aber nie, sagt sie. Sie habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen. Wobei die Insassen der JVA sich auch erst einmal bewährt haben müssen, bevor sie eine Chance auf den Kurs haben.

Die Fluktuation ist recht groß. Werden die Inhaftierten entlassen, verlassen sie schließlich auch den Kurs. Das ist die Erklärung dafür, warum Christel Traut sich freut, wenn einer noch viele Jahre absitzen muss - ohne ihm Böses zu wünschen, versteht sich. "Dann kann man nämlich noch viel machen."

Die Kunst geht an den Männern nicht ohne Spuren vorbei. Sie verändert sie nach einer gewissen Zeit. "Sie öffnet ihnen die Augen. Sie staunen, was man alles machen kann." Es ist eine gewisse Form von Resozialisierung. "Sie sitzen in der Zelle und verzweifeln. Im Kurs blühen sie auf."

Die Motive, an denen die Inhaftierten schaffen, sind ihnen selbst überlassen. Viele verarbeiten ihre Taten. Emotionale Szenen im Atelier sind nicht abwegig - inmitten von abstrakten Acryl-Gemälden, Aquarellen, Stillleben und Keramiken, den dünnen 4er-Pinsel in der Hand. Christel Traut ist stolz darauf, dass die typischen Knastmotive bei ihr im Kurs kein Thema sind - also keine Adler mit großen Flügeln oder Drogenbilder. Und so sind die Ergebnisse auch "draußen" sehr beliebt. Sie schmücken zum Beispiel Büros und Flure von Ministerien im Saarland. Der Erlös aus dem Verkauf ist die einzige finanzielle Quelle für "Kunst im Knast" - über den Umweg des Fördervereins für Kunst und Kultur im saarländischen Strafvollzug.

Die Exponate der anstehenden Ausstellung in Völklingen aber werden ausnahmsweise nicht verkauft, für die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Völklingens Oberbürgermeister Klaus Lorig die Schirmherrschaft übernommen haben. Kramp-Karrenbauer muss sich aus Termingründen bei der Vernissage am 11. November vertreten lassen. Ob von den Inhaftierten jemand anwesend sein wird, steht noch nicht fest. Zwei wären berechtigt, da sie bald entlassen werden.

"Ich komme rein und bringe die Freiheit mit."

Christel Traut

Auf einen Blick

Die Vernissage zu "Kunst im Knast - Kunst in der Kirche" beginnt am Sonntag, 11. November, 15 Uhr, in der evangelischen Erlöserkirche, Rheinstraße 2, Völklingen. Die Bilder, Holzschnitte und Keramiken bleiben dort bis zum 6. Januar. Kontakt zur Pfarrgemeinde: Tel. (0 68 98) 2 21 37. avm

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