Künstler wehren sich mit Petition gegen die Auflösung des Kultur- und Bildungsdezernats

Saarbrücken · Rund 400 Menschen habe eine Petition des Musikers Oliver Strauch zur Rettung eines eigenständigen Kultur- und Bildungsdezernats unterzeichnet. Die Architektenkammer macht sich dafür ebenso stark wie das Netzwerk der Freien Szene und der Werkbund.

 Die Schauspielerin Bettina Koch (hier ein Archivfoto von einem Auftritt) mahnt an: Kultur braucht einen Fürsprecher.Foto: Iris Maurer

Die Schauspielerin Bettina Koch (hier ein Archivfoto von einem Auftritt) mahnt an: Kultur braucht einen Fürsprecher.Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Nein, sagt Isolde Ries , glücklich sei sie auch nicht, schließlich ist sie nicht nur Vorsitzende der Saarbrücker SPD und Vizepräsidentin des saarländischen Landtags, sondern auch kulturpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion . Aber da seien diese "Zwänge". Sparvorgaben des Landes zum Beispiel. Und die, sagt Ries, lassen keine andere Wahl: Die Stelle des Saarbrücker Kultur- und Bildungsdezernenten müsse gestrichen, seine Aufgaben auf andere Dezernate verteilt werden.

Der "Notwendigkeit von Einsparungen" sei man sich "durchaus bewusst", teilt Katharina Bihler vom "Netzwerk Freie Szene Saar" mit. Aber die Entscheidung der rot-rot-grünen Ratsmehrheit werde trotzdem "der Bedeutung, die die Kultur - Kunst, Bildung, Wissenschaft - für eine Gesellschaft hat, in keiner Weise gerecht". Kultur sei nämlich "kein Sahnehäubchen", wie die Bezeichnung "freiwillige Leistung" im städtischen Haushalt nahelege. Kultur sei "die Grundlage unserer Gesellschaft".

"Ob eine Landeshauptstadt - und damit auch das gesamte Saarland - ein attraktiver Standort ist, hängt auch von der Qualität und Vielseitigkeit des kulturellen Angebotes ab. Gerade angesichts der Probleme des Landes braucht es zwingend Fürsprecher für die Kultur", heißt es in einer Erklärung der Architektenkammer des Saarlandes. Sie empfiehlt den Mitgliedern des Stadtrates, "die Entscheidung zu überdenken und die Dezernentenstelle nicht aus monetären Gründen zu opfern".

"Verehrte Stadträte, bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung!", fordert auch der Deutsche Werkbund Saarland. Wenn sie durchsetzen, dass das Dezernat aufgelöst wird, geben die Stadträte "damit der Stadt ein ,kulturfeindliches' Image", schreibt Marlen Dittmann vom Werkbund in einem offenen Brief. Weiter heißt es: "Gilt Ihre Zusage, die Ausgaben für Kultur nicht zu kürzen, auch noch in den kommenden Jahren bei immer größer werdenden Sparzwängen? Streichungen sind doch am leichtesten in Bereichen mit kleiner Lobby wie der Kultur durchzusetzen."

Gegen eine Abschaffung des Dezernats haben sich auch rund 400 Menschen ausgesprochen, die eine Petition des Musikers Oliver Strauch unterschrieben haben.

Auch die Saarbrücker Junge Union lehnt die Stellenstreichung ab. "Es ist für uns schwer nachvollziehbar, wie man jahrelang alle Sparvorschläge in den Wind schlägt und jetzt die Sparkeule bei der Kulturpolitik schwingt", sagt deren Vorsitzender Andreas Neumüller, der für die CDU im Stadtrat sitzt.

Die Piraten im Stadtrat können sich dagegen gut vorstellen, dass die Verwaltungsaufgaben des Kultur- und Bildungsdezernats auf andere Dezernate verteilt werden. Die Kultur brauche aber "ein Gesicht". Deshalb solle die Verwaltung "einen hauptamtlichen Kulturbeauftragten" einstellen.

Alles Vorschläge und Briefe für den Papierkorb? Nein, sagt ein SPD-Funktionär. In der Partei sei das Thema "noch nicht gegessen". Auch Isolde Ries räumt ein, dass es in ihrer Partei heftige Diskussionen über die Entscheidung gibt. Aber es gebe eben diese Zwänge - und das würden die Kritiker in der Partei auch einsehen.

Meinung:
Die Botschaft hör' ich wohl…

Von SZ-RedakteurMartin Rolshausen

Namen sind Schall und Rauch, und alles wird gut. Oder wie es die SPD-Stadtratsfraktion formuliert: "Die Kulturpolitik in Saarbrücken wird keinen Schaden erleiden, auch wenn es keinen Kulturdezernenten namens Schrader mehr gibt. Es wird weiterhin einen Dezernenten geben, der für Kultur verantwortlich ist." Und: "Der Stadtrat ist für die Kulturpolitik entscheidend. Er bewilligt die Mittel. Er garantiert den Bestand der Institutionen.". "Sparen an der Kultur: Nein!", sekundiert Claudia Kohde-Kilsch von der Linken-Stadtratsfraktion.

Es sei mir erlaubt, in dieser Kulturdebatte bei Goethe zu klauen: "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Das, was die rot-rot-grüne Stadtratsmehrheit formuliert, ist die Theorie. In der Praxis gibt es aber zwei nicht zu unterschätzende Probleme: die desaströse Finanzlage und das real existierende Personal .

Es sieht so aus, als solle die Kulturabteilung zum Dezernat des Grünen Thomas Brück wandern. Der scheint aber bereits mit seinen Abteilungen Umwelt, Migration und Recht mehr als genug zu tun zu haben. Profil gewonnen hat er in den 19 Monaten, die er nun schon im Amt ist, nicht.

Die Zuständigkeit für Grundschulen und Kindergärten soll dem Finanzdezernat von Bürgermeister Ralf Latz (SPD ) zugeschlagen werden. Für einen Dezernenten , der mit 1,2 Milliarden Euro Schulden kämpft und das größte Sparpaket in der Stadtgeschichte wird schnüren müssen, keine einfache Nebenbei-Aufgabe. Zumal Latz jetzt schon dem unglücklich und stellenweise unbeholfen agierenden Linken-Dezernenten Harald Schindel unter die Arme greift. Unter anderem der Probleme mit sogenannten Randständigen an der Johanneskirche und Zuwanderern in der Malstatter Frankenstraße hat sich nicht Sozialdezernent Schindel, sondern Bürgermeister Latz angenommen. Und dass Schindel in den Dezernats-Planspielen nicht vorkommt, spricht Bände.

Und wenn dieses eh schon ge-, teilweise überforderte Personal dann auf Problem Nummer eins trifft, könnte es zumindest für die Kultur eng werden. Im härter werdenden Geldverteilungskampf wird es nämlich nicht reichen, dass an der Tür eines Dezernats steht, dass der Mann, der dahintersitzt, für Kultur zuständig ist.

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