Korrekt zu sprechen macht stark

Saarbrücken. Mustafa Yazici hat ein kleines Spielzeughaus im Behandlungszimmer aufgestellt. "Suche dir einen Platz und sage, was du tust", ermuntert der Sprechtherapeut die kleine Ebru. Die achtjährige Türkin macht ein paar Schritte und erklärt: "Ich gehe hinter den Haus

Saarbrücken. Mustafa Yazici hat ein kleines Spielzeughaus im Behandlungszimmer aufgestellt. "Suche dir einen Platz und sage, was du tust", ermuntert der Sprechtherapeut die kleine Ebru. Die achtjährige Türkin macht ein paar Schritte und erklärt: "Ich gehe hinter den Haus."

Im Türkischen gebe es keine Artikel, deshalb falle es türkischen Kindern schwer, die deutschen Artikel korrekt anzuwenden, weiß Yazici, der außer Türkisch und Deutsch auch Arabisch beherrscht.

Yazici soll klären, ob Ebrus Sprachprobleme auf mangelnde Deutschkenntnisse zurückgehen oder ob Ebru Spracherwerbsstörungen hat, die man logopädisch therapieren muss. Bei Ausländerkindern, die "zwischen" zwei Sprachen aufwachsen, lasse sich das nur richtig diagnostizieren, wenn man sie in beiden Sprachen teste, sagt Yazici: "Ein nur deutschsprachiger Logopäde kann das nicht leisten."

Zu viele falsche Diagnosen

Yazici ist Leiter des "Multilingualen Sprachtherapeutischen Instituts (MSI)" am Medizinischen Versorgungszentrum Rheinstraße der Caritasklinik St. Theresia auf dem Rastpfuhl. Die seit dem Jahr 2000 bestehende Einrichtung hat sich auf die Diagnostik und Therapie von Migranten spezialisiert. Neben dem aus der Türkei stammenden Yazici sind dort drei mehrsprachige Logopäden beschäftigt - Spezialisten für Italienisch, Französisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Russisch.

Ausschlaggebend für die Gründung des Instituts war die Beobachtung, dass überproportional viele Kinder mit Migrationshintergrund als sprachgestört zur Behandlung in die HNO-Abteilung der Klinik überwiesen wurden oder auch in Förderschulen landen - oft aufgrund von Fehleinschätzungen ihrer Leistungsfähigkeit. Das MSI hat für jede Sprache eigene Diagnose-Bögen erarbeitet und setzt bei der Therapie zuerst in der Muttersprache der Patienten an.

"Nur wenn man die Muttersprache beherrscht, wird man auch die zweite Sprache gut lernen", erklärt Yazici in Übereinstimmung mit zahlreichen Sprachforschern: "Wichtig ist aber auch, dass wir als Therapeuten mit dem kulturellen Hintergrund der Patienten vertraut sind." Deshalb, so sagt Yazici, fühlen sich Kinder und Eltern im MSI doppelt verstanden: "Und wenn die Eltern begreifen, was wir machen, sind sie auch eher bereit, die Therapie zu Hause zu unterstützen."

Die Patienten des MSI kommen aus dem ganzen Saarland, denn mit seinem mehrsprachigen Konzept ist es hierzulande einzigartig und deshalb auch als Ansprechpartner für Migrantenvereinigungen, Kindergärten, Kinderärzte und Behörden gefragt.

Die kleine Ebru war bereits zwei Jahre lang in einer rein deutschsprachigen Sprachtherapie, bevor sie zum MIS kam. "Seitdem macht sie große Fortschritte und hat auch viel bessere Noten in der Schule", freut sich ihr Vater.

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