„Kneipps Vermächtnis wird schon angepasst“

Saarbrücken · Andrea Pielen ist seit Mitte September dieses Jahres neue Vorsitzende des Kneippbunds Saar, dem mit 22 366 Mitgliedern viertgrößten Fachverband des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS). Im Gespräch mit unserem Mitarbeiter Sebastian Zenner erklärt sie unter anderem, was Kneipp mit Sport zu tun hat, und wie der Kneippbund auf junge Menschen zugehen will.

 Andrea Pielen, die Vorsitzende des Kneippbundes Saar. Foto: Wieck

Andrea Pielen, die Vorsitzende des Kneippbundes Saar. Foto: Wieck

Foto: Wieck

Frau Pielen, was ist für Sie das Besondere an der Lehre Sebastian Kneipps?

Andrea Pielen: Erst einmal, dass es ein ganzheitliches und präventives Gesundheitskonzept ist. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Menschen dazu zu bringen, dass sie eigenverantwortlich mit ihrer Gesundheit umgehen. Deshalb gibt es vier Säulen: Ernährung, Bewegung in der Natur, Heilkraft von Pflanzen und die Wassertherapie. Diese vier Säulen dienen übergeordnet der fünften, der Ordnung der Seele. Kneipp hat festgestellt, dass man erst, wenn man die Seele der Menschen in Ordnung gebracht hat, an die eigentlichen Erkrankungen gehen kann.

Besteht die Gefahr, dass gerade diese ganzheitliche Lehre auf potenzielle neue Mitglieder zu dogmatisch wirkt?

Pielen: Eigentlich nicht. Der ganzheitliche Anspruch nähert sich ja immer mehr der Alternativmedizin an. Es handelt sich oft um Regeln, die von Medizinern übernommen werden und Anwendungen, die bei bestimmten Krankheitsbildern positive Wirkung zeigen. Das sehe ich nicht dogmatisch.

Der Namensgeber Sebastian Kneipp lebte im 19. Jahrhundert - zwischen 1821 und 1897. Wird sich die Lehre künftig neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen können oder müssen, oder wird es inhaltlich immer das gleiche bleiben?

Pielen: Kneipps Vermächtnis wird schon angepasst - allein schon begrifflich. Auch inhaltlich passt man sich der Zeit an. Junge Eltern, die Wert auf biologische Ernährung legen, finden sich in Kneipp wieder. Kneipp hat schon vor über 100 Jahren von naturbelassener Ernährung gesprochen - heute heißt das Bio. Wir müssen uns überlegen, die man Kneipp modernisieren kann, aber inhaltlich wird sich nicht viel ändern. Ein Kalt- oder Warmwasser-Guss wird immer gleich gemacht werden. Auch die Wirkungen der Kräuter werden sich nicht ändern. Natürlich kommen neue Kräuter hinzu.

Wie kommt die Verbindung zum Sport und damit die Mitgliedschaft im LSVS zustande?

Pielen: Wir sind außerordentliches Mitglied des LSVS mit einer besonderen Aufgabenstellung. Auf Bundesebene ist der Kneippbund auch dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) angegliedert. Wir haben schon vor Jahren auf dem Bewegungssektor mit dem Turnerbund und dem LSVS in Sachen Weiterbildungen zusammengearbeitet. Zum Beispiel leisten wir Hilfestellungen bei Gesundheitskonzepten und Gesundheitstagen. Natürlich muss man dazu sagen, dass wir eine große Organisation sind, deren über 22 000 zahlende Mitglieder ja auch dem LSVS etwas bringen. Auf der anderen Seite profitieren wird davon, weil wir das, was wir vom LSVS bekommen, wiederum in Aus- und Weiterbildung und unsere Vereine investieren.

Hat sich in der Arbeit Ihres Verbandes im Vergleich zu früher Grundlegendes verändert?

Pielen: Tai Chi, Qigong und Yoga erfahren immer mehr Zuspruch. Heute springt jeder auf diese Schiene - Yoga ist derzeit ganz modern. Gerade das Power Yoga schwappt aus Amerika zu uns über. Wobei das nicht gerade der asiatischen Philosophie entspricht. Aber bei Kneipp ging es immer schon darum, zu sich selbst zu finden und Wissen weiterzugeben. Damit wir die jungen Leute erreichen, wird in Kneipp-Vereinen auch Zumba unterrichtet. Gerade in der Prävention gehen wir mit der Zeit und greifen neue Trends auf. Das betrifft gerade auch das Thema des semografischen Wandels. Hier sind Sturz-Prophylaxe oder Gleichgewichtstraining für Ältere ganz aktuell. Ein großes Zukunftskonzept, das wir bei Kneipp gerade entwickeln, ist "Kneipp Outdoor", das wir bei zwei Erlebnispädagogen in Auftrag gegeben haben.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Pielen: Ab dem kommenden Jahr bilden wir Kneipp-Outdoortrainer aus, um damit auch jüngere Familien mit Kindern zwischen acht und 15 Jahren anzusprechen. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen vom Computer wegkriegen. Und das schafft man nur mit Outdoor-Aktivitäten wie Slackline, Geo-Caching und weiteren Dingen, die mit Natur und Gleichgewicht zu tun haben. Es geht darum, den Heranwachsenden die Natur näherzubringen. Die Eltern haben dazu oft keine Zeit.

Wie sehen Sie den Kneippbund und seine Vereine im Saarland infrastrukturell aufgestellt?

Pielen: Ich war nah dran an der Diskussion um Bäderschließungen. Wir hatten auch schon Einbußen bei Wasser-Fitnessangeboten. Früher konnten wir bestimmte Einrichtungen, die in einem Bad vorhanden waren, für unsere Zwecke nutzen - das gleiche gilt für Hallen. Damit haben wir auch zu kämpfen, wobei wir eher kleine Gruppen haben und in Kindertagesstätten ausweichen können. Aber gerade für Ältere, die unsere Angebote gerne vormittags in Anspruch nehmen würden, ist das mancherorts schon schwierig. Auch am frühen Nachmittag gibt es durch die Nachmittagsbetreuung der Schulen gewisse Probleme. Dazu werden unsere Wassertretanlagen immer mal wieder missbraucht und müssen entsprechend betreut werden.

Wie haben sich die finanziellen Möglichkeiten Ihres Verbandes entwickelt?

Pielen: Die Vereine sind überwiegend gesund und wir stehen gut da. Wir sind aber auch abhängig von den Zuschüssen des LSVS. Was uns im Moment Bauchweh macht, ist die Musik-Verwertungsgesellschaft Gema. Vereine müssen überdenken, ob sie ihre Kurs- oder Mitgliedsbeiträge erhöhen, weil wir - je nach Musik, die in den Kursen gespielt wird - viel Geld bezahlen müssen. Mit Musik geht nun einmal alles besser, und es gibt nicht so viel Gema-freie Musik.

Warum sollten sich junge oder ältere Menschen ausgerechnet dem Kneippbund anschließen?

Pielen: Weil Gesundheit unser höchstes Gut ist, und weil unsere Mitglieder genau für dieses Thema sensibilisiert und gestärkt werden. In unseren Vereinen bekommen sie auch Anleitungen, wie sie bestimmte Ziele, was ihre Gesundheit angeht, umsetzen können.

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