Kleiderkammer ist ab heute Geschichte

Friedrichsthal · Weil die Caritas-Gemeinwesenarbeit in Friedrichsthal näher an die Stadtmitte rückt, muss die Kleiderkammer in der Alten Schule weichen. Das wiederum können hier tätige Menschen nicht nachvollziehen.

 Gestern war der letzte Arbeitstag dieser fleißigen Menschen in der Kleiderkammer im alten Schulhaus von Friedrichsthal (von links): Adele Hoffmann, Cäcilia Marx, Rolf Rau, Else Wolff, Sieglinde Diehl, Anneliese Recktenwald und Lydia Keppen. Foto: Becker&Bredel

Gestern war der letzte Arbeitstag dieser fleißigen Menschen in der Kleiderkammer im alten Schulhaus von Friedrichsthal (von links): Adele Hoffmann, Cäcilia Marx, Rolf Rau, Else Wolff, Sieglinde Diehl, Anneliese Recktenwald und Lydia Keppen. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Seit heute gibt es sie nicht mehr: die Kleiderkammer der Pfarrei St. Michael in der Alten Schule (Elversberger Straße) in Friedrichsthal. Wie angekündigt, weicht sie den Aktivitäten der Caritas-Gemeinwesenarbeit (GWA). Aufgrund der ,,positiven Entwicklung am Kolonieschacht und der starken Zunahme von Familienarmut im Kernbereich von Friedrichsthal" haben der Caritasverband für Saarbrücken und Umgebung sowie dessen Kooperationspartner (Regionalverband und Stadt) beschlossen, die Gemeinwesenarbeit zu verlagern (SZ vom 26. März). Und als geeigneter Raum sei nur die Unterkunft der Kleiderbörse infrage gekommen. Das erklärte gestern auch im Gespräch mit der SZ GWA-Projektleiter Werner Hubertus. Die Familienarbeit, die Familienförderung werde neu konzeptioniert, die ,,Armutsverdichtung" quasi von der Bahn bis zur Autobahn machten den Umzug in die Alte Schule unausweichlich. Also ist ab heute die Kleiderbörse dicht.

Und weil das so ist, hat sich gestern Cäcilia Marx bei der SZ gemeldet. Die Seniorin hat 35 Jahre ehrenamtlich in der Kleiderkammer gearbeitet, hat sie mit aufgebaut und sie mit Herzblut betreut. 20 bis 30 Kunden, die hier vom T-Shirt über Bettwäsche bis zum Mantel alles Mögliche fanden, konnte man jeden Montag willkommen heißen, erzählt die 85-Jährige. Sie versteht nicht, dass die Kleiderkammer nun ersatzlos wegfallen soll. Vor allem vermisst sie die Unterstützung der katholischen Kirchengemeinde. Niemand habe sich für den Erhalt der Einrichtung eingesetzt. Mit sechs, sieben Leuten habe man gearbeitet, ,,das haben wir alles locker geschafft", sagt die betagte Dame. Mit ihr im Bunde ist auch Adele Hoffmann. Die 83-Jährige war ebenso von Anfang an dabei, hat gemeinsam mit ihrem Mann Rudolf mitunter Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Aussiedlern unter die Arme gegriffen, hat gern gearbeitet in der Kleiderkammer, die, wie die Seniorin erzählt, auch jede Menge Hausrat bereit hielt: Geschirr, Gardinen, auch Spielzeug und anderes mehr. Weil es edle Spender gab, denen sie an dieser Stelle ein dickes Dankeschön übermitteln möchte. Die Rentnerin ist der Meinung, dass die Caritas mitnichten das ärmste Unternehmen sei und insofern die Kleiderkammer hätte an anderer Stelle weiterbetreiben können. Wenn die Armut so groß sei, wie ständig dargestellt, dann, so die Seniorin, hätte man in der Stadtmitte auch einen Raum anmieten können. Dass sie zornig ist auf die Caritas, daraus macht sie keinen Hehl.

Caritas-Direktor Johannes Simon war am Montag für die SZ nicht zu sprechen. Dafür aber Diakon Michael Heidrich von der Pfarrei St. Michael. Er betont, dass sich die Kirchengemeinde auch nach Wegfall der Kleiderbörse in der Alten Schule in sozialen Brennpunkten engagiere: ,,Wir tun hier mehr, als man erwarten kann." Im Übrigen könnten bedürftige Menschen nach wie vor gebrauchte Kleidung erhalten, und zwar im katholischen Vereinshaus im Hüttenweg, wenngleich diese Einrichtung kleiner sei als die in der Alten Schule. Jeden Dienstag (ab 11 Uhr) sei hier geöffnet. Wie dem auch sei, die Kleiderkammer ist ab heute Geschichte. Was 1978 begann zur Unterstützung von bedürftigen Familien am Kolonieschacht, wurde jetzt beerdigt. Die ehrenamtlichen Helfer haben ihre Arbeit eingestellt. Nach Umbauarbeiten wird - bis zu den Sommerferien - das Gemeinwesenbüro vom Kolonieschacht hierher umziehen. Daran ist offenbar nicht mehr zu rütteln.

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