Keine Band, die sich verbiegt
Saarbrücken · Sie sind der bekannteste Geheimtipp der Stadt. Seit bald 25 Jahren macht Savoy Truffle richtig gute Popmusik. Und ihre neue CD „Zink!“ ist eine Wundertüte voller guter Songs.
"Ich hatte schon eine Flasche Rotwein getrunken und dachte: Okay, das kannste machen." Awa Taban Shomal lacht fröhlich und rückt ihren Stuhl in der Saarbrücker Kneipe "Tante Anna" zurecht. Seit drei Jahren ist die 25-Jährige die Sängerin der Kult-Gruppe Savoy Truffle, und was man von ihr auf der neuen CD der Gruppe hört, ist wunderbar. Rauchig, manchmal auch etwas heiser, sehr gefühlvoll klingt ihre Stimme. Die Flasche Rotwein war gut investiert. Sonst hätte Awa sich vielleicht doch nicht getraut, zu antworten, als die Saarbrücker Groß-Popband auf ihrer Internetseite seinerzeit eine neue Frontfrau suchte.
Das wäre schade gewesen. Zippo Zimmermann, unverwechselbarer Kopf der Truffles, sitzt daneben, rührt in seinem Kaffee, nickt und schaut irgendwo in die Ferne. Allein sein Duett mit Awa in einem Song, den er zu einem Gedicht von Erich Kästner geschrieben hat, ist es Wert, die ganze CD zu kaufen. Zippo brummt und Awa haucht - das ist sehr, sehr Gänsehaut.
Überhaupt die neue CD: "Zing!" heißt sie und ist von Anfang bis Ende gelungen. Schon die ersten Töne gehen vom Kopf direkt in die Beine. Der Truffle-typische satte Sound, die üppige Instrumentierung mit Saxofon, Cello, Trommeln und Geigen, dazu Awas Stimme. Der Einstiegs-Song "Dance, Stranger, dance" reißt einen aus jeder möglichen Winter-Lethargie, die Vertonung von Kästner-Gedichten ein paar Songs später umschmeichelt Hirn und Herz. Und zwischendurch immer wieder: mitreißende, abwechslungsreiche Pop-Songs.
"Zing!" ist alles: bunt, satt, herzzerreißend und schweißtreibend. Nur eines ist die CD nicht: durchhörbar und berechenbar. Da ist jeder Song anders. Für die meisten Radio-Stationen sind die Titel viel zu lang - und natürlich passen sie so oder so in keine Schublade. Aber Schubladen sind sowieso kein guter Nährboden für Spaß an der Musik - und der ist den "Trüffeln" allemal wichtiger als kommerzieller Erfolg.
"Wir machen nur, was uns 100-prozentig überzeugt", sagt Zippo Zimmermann im Gespräch mit der SZ. Er ist Komponist, Pianist, Ur-Truffle und eines der zuverlässig schlagenden Herzen der Band, die zu den ältesten aktiven Pop-Gruppen im Land gehört - zu den bekanntesten sowieso. Der Truffle-Stil, das bedeutet für ihn: melodiebetonte Songs und aufwändige Arrangements. "Ich würde ungern in einer Band singen, wo man sich verbiegt", sagt auch Sängerin Awa. Sie ist nicht nur vom Alter her das Küken der Gruppe. Denn die Truffles sind in Teilen seit 1992 in der gleichen Besetzung zusammen. Das schafft sonst womöglich nur einer wie Udo Jürgens mit der Pepe-Lienhard-Band.
Wie kriegt man sowas hin? Wie hält man über bald 25 Jahre eine Band zusammen, über ein Alter hinweg, in dem manche ja Familien gründen, stressige Berufe haben und wenig Zeit? "Der Punkt ist, dass wir so viele Leute sind. Wenn von acht einer umzieht, dann bleiben immer noch sieben andere dabei", sagt Zippo Zimmermann. "Die Band ist nicht so sehr über Personen definiert." Trotzdem geht es ganz ohne bestimmte Personen auch nicht. "Zippo ist die Basis der Band, Frank der harmonische Kleister und Alain der große Organisator", sagt Awa.
An der neuen CD hat die Band, mit Savoy-typischer Gründlichkeit zwei Jahre produziert. "Wir arbeiten manchmal ein halbes Jahr an einem Stück", sagt Zippo. "Und wenn ein Lied reif für die Bühne ist, ist es noch lange nicht reif für die CD." Die Texte der Songs stammen übrigens fast immer von Savoy-Truffle-Fans. Die Truppe hat eine treue Gemeinde, die kaum eines der zu raren Konzerte verpasst - da ist dann auch schon mal ein Dichter darunter, wie die leider viel zu früh verstorbene Marietta Schröder, von der der Text zum Song "Take the burden off my shoulders" stammt. Die Trüffel sind dabei offen für alle Themen. "Einzige Voraussetzung", sagt Zippo, "es müssen Pop-Texte sein, die Awa voller Überzeugung singen kann."
Bald 25 Jahre sind sie nun einer der womöglich bekanntesten Geheimtipps der Stadt. Wieso ging es nie weiter? "Es gibt immer mal wieder jemand, der sagt: Ich bringe euch groß raus", meint Zippo. "Dass das nie geklappt hat, liegt auch am Saarland und vor allem an den Saarländern selbst, die den Saarländern nichts zutrauen." Es komme immer mal wieder vor, dass begeisterte Fans ein Lied loben, und dann kommt gleich der Satz: "Gell, das Stück is awwer net von euch?"
Andererseits haben die Truffles selber das Berühmtwerden auch nicht wirklich betrieben. Weil sie im Grunde mit ihrem Liebhaber-Status ganz zufrieden sind. "Wenn ich eine anstrengende Woche habe, freue ich mich immer auf die Probe", meint Awa. Und in so vielen Jahren gab es nie eine Krise? Nie den Moment, wo die Band auf der Kippe stand? Vielleicht einmal vor Jahren, erinnert sich Zippo. Da fand er selbst, dass die Band "gerade richtig langweilig lief". Aber das fanden die anderen dann auch - und es wurde geändert. Ansonsten: "Wenn einer die Band verlassen hat, dann eigentlich nur, wenn er oder sie das Saarland verließ." Es gibt also gute Chancen, dass es noch ein paar Jahrzehnte weitergeht mit Savoy Truffle.
Einen Termin muss man sich vormerken: Am 23., 24. und 25. Januar sind wieder die legendären Konzerte von Savoy Truffle im Theater im Viertel am Saarbrücker Landwehrplatz. Beginn ist jeweils 19.30 Uhr, das Sonntags-Konzert beginnt schon um 17 Uhr. Kartenvorbestellung ist empfehlenswert: Tel. (06 81) 390 46 02 oder www.dastiv.de . Infos: www.savoy-truffle.de
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Auf einen BlickDie aktuelle Savoy-Truffle-Besetzung ist eine bunte Mischung verschiedenster Menschen: Alan Neumann ist seit 1992 als Percussionist dabei und im beruflichen Leben Unternehmer in der Nano-Technologie. Schlagzeuger Frank J. Meyer ist ebenfalls ein Truffle der ersten Stunde und IT-Techniker. Saxofonistin Kathrin Berger, seit 1999 dabei, ist Anwältin. Bassistin Natalie Kielbassa ist seit einem Jahr dabei und freie Künstlerin. Sigrid Münchgesang, seit 2004 die Cellistin der Truppe, ist die einzige Berufsmusikerin der Band. Sie studiert Cello an der Hochschule für Musik.Thom Berger, der Gitarrist, ist seit 1995 bei den Trüffeln und im Berufsleben IT-Techniker. Awa Taban Shomal ist seit 2011 dabei, freischaffende Künstlerin und nebenbei Bedienung in der Tante Anna. Pianist Zippo Zimmermann hat 1990 schon Truffle-Vorläufer Spontan mitgegründet. Er ist im Hauptberuf freier Künstler, Grafiker und Fotograf.