Kein Muss: der Gurt im Bus

Saarbrücken. Im Auto gilt der erste Griff dem Sicherheitsgurt. Im Linienbus greift die Hand ins Leere. Warum gibt es dort keine Gurte? Saarbrücker Verkehrsexperten haben Antworten. Bernd Brutscher, Verkehrssicherheitsexperte der saarländischen Polizei, fasst für die SZ auf Anfrage die Rechtslage zusammen

Saarbrücken. Im Auto gilt der erste Griff dem Sicherheitsgurt. Im Linienbus greift die Hand ins Leere. Warum gibt es dort keine Gurte? Saarbrücker Verkehrsexperten haben Antworten. Bernd Brutscher, Verkehrssicherheitsexperte der saarländischen Polizei, fasst für die SZ auf Anfrage die Rechtslage zusammen. "Bei Transporten in Omnibussen, bei denen die Beförderung stehender Fahrgäste zugelassen ist, entfällt die Anschnallpflicht." Auch die Fahrer von Nahverkehrsbussen müssen sich demnach nicht anschnallen.Dirk Joris, Marketing-Chef der Saar-Pfalz-Bus GmbH, ergänzt: "Busse nach dieser Zulassung dürfen nicht schneller als 80 km/h fahren. Sobald der erste Stehplatz belegt ist, sogar nur noch 60 km/h. Reisebusse hingegen haben eine Sonderzulassung bis 100 km/h. Zu dieser Sonderzulassung gehört die Ausstattung mit Beckengurten an allen Sitzen. Seit etwa zwei Jahren gibt es die Gurtpflicht wie im Pkw - das heißt: Wer sich nicht anschnallt, zahlt 40 Euro. Für den Fahrer gilt die gleiche Regel wie für seine Fahrgäste: bei Linienzulassung kein Gurt, im Reisebus Gurtpflicht." Sollte nun doch einmal ein Fahrgast im Linienverkehr in einem Bus mit Gurten sitzen, handle es sich um einen sogenannten Kombibus. Der habe eine Reisebuszulassung und deshalb Gurte, aber auch die für einen Linienbus typischen Haltevorrichtungen wie Stangen und Griffe an den Stehplätzen und eine Haltewunschtaste.

"Diese Kombibusse werden in geringer Zahl von in unserem Auftrag fahrenden privaten Busunternehmern eingesetzt", erklärt Joris weiter.

Da es aber selbst bei den neuen reinen Linienbussen keine Gurte gebe, sei die Nachrüstung älterer Fahrzeuge nicht vorgesehen. Ob die Busse mit Gurten sicherer wären, lasse sich wegen der verschwindend geringen Zahl der Unfälle mit Bussen seines Unternehmens unmöglich feststellen.

Das sieht Sarah Schmitt, die Pressechefin der Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft Saarbrücken, genauso: "Linienbusse gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln überhaupt, was den Statistiken regelmäßig zu entnehmen ist. Busfahrer im Linienverkehr sind sehr gut ausgebildet, Unfälle mit Personenschaden deshalb die Ausnahme." Schmitt weiter: "Wollte man das Anschnallen im Linienbus verpflichtend machen, müssten im Linienverkehr so viele Busse bereitgestellt werden, dass jeder Fahrgast einen Sitzplatz bekommt. Dann müssten in Stoßzeiten rund 30 Prozent mehr Busse fahren." Außerdem mache eine Gurtpflicht die typischen Merkmale eines Stadtbusses zunichte, nämlich die hohe Beförderungskapazität und den schnellen Fahrgastwechsel.

Jürgen Bente, Referent für fahrpraktische Programme beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat, gibt den Unternehmenssprechern Recht: "Der Bus ist das sicherste Verkehrsmittel."

Die gefährlichsten Momente einer Busfahrt hätten gar nichts mit dem Angurten oder Nichtangurten zu tun: "Die größte Unfallgefahr besteht beim Ein- und Aussteigen. Das gilt vor allem für ältere Fahrgäste." Bei Schülertransporten sieht der Verkehrsexperte Verbesserungsbedarf an den Haltestellen. Dort Drängelei und Rangelei zu verhindern, sei bei Schülerfahrten die Devise.

Allerdings ist es auch um die Sicherheit der Schulbusse offenbar nicht so gut bestellt wie um die der Linienfahrzeuge. Dazu Bernd Brutscher von der Polizei: "Bei 18 kontrollierten Schulbussen im Zuständigkeitsbereich der Völklinger Polizeiinspektion mussten 14 - das sind 77,78 Prozent - beanstandet werden. Es gab Busse mit abgefahrenen Reifen. Bei einigen hatte die Dekra erhebliche Mängel festgestellt." Ohne Konsequenzen, wie Brutscher bedauert. "Die Busse wurden weiter zur Schülerbeförderung eingesetzt."

Stichwort

415 Unfälle, an denen Omnibusse beteiligt waren, registrierte die saarländische Polizei 2010. 2009 gab es 383 Unfälle mit Bussen. Die Unfallstatistik 2010 erfasst 337-mal Linienbusse, 24-mal Reisebusse, 49-mal Schulbusse und fünfmal andere Omnibusse, wie Verkehrssicherheitsexperte Bernd Brutscher von der saarländischen Polizei weiter mitteilt.

Bei diesen 415 Unfällen kam es in 79 Fällen zu Personenschäden. Es gab keinen Toten, 15 Schwer- und 127 Leichtverletzte.

Bei der Aktion "Sicherer Schulweg" zum Auftakt des Schuljahres 2010/2011 prüfte die Polizei 175 Schülertransporte in 93 Omnibussen, 56 Kleinbussen und 26 Taxen. Dabei gab es vier Parkverstöße, acht Verstöße gegen die Anschnallpflicht und 15 Verstöße gegen das Handyverbot am Steuer.

In drei Fällen stellten die Polizisten Busse mit technischen Mängeln fest. Die Mängel waren in einem Fall so gravierend,

 Für Verkehrsexperten steht fest: Fahrgäste sind auch ohne Gurte in Linienbussen gut aufgehoben. Unser Bild von 2006 zeigt ehrenamtliche Fahrplan-Tester von Saarbahn & Bus. Foto: Oliver Dietze

Für Verkehrsexperten steht fest: Fahrgäste sind auch ohne Gurte in Linienbussen gut aufgehoben. Unser Bild von 2006 zeigt ehrenamtliche Fahrplan-Tester von Saarbahn & Bus. Foto: Oliver Dietze

 Für Verkehrsexperten steht fest: Fahrgäste sind auch ohne Gurte in Linienbussen gut aufgehoben. Unser Bild von 2006 zeigt ehrenamtliche Fahrplan-Tester von Saarbahn & Bus. Foto: Oliver Dietze

Für Verkehrsexperten steht fest: Fahrgäste sind auch ohne Gurte in Linienbussen gut aufgehoben. Unser Bild von 2006 zeigt ehrenamtliche Fahrplan-Tester von Saarbahn & Bus. Foto: Oliver Dietze

dass die Beamten eine Weiterfahrt untersagen mussten. ole

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