„Karstadt sollte noch hochwertiger werden“

Saarbrücken · Der Einzelhandelsexperte Zulfukar Tosun ist überzeugt, dass Karstadt und Kaufhof eine Zukunft in Saarbrücken haben. Denn sie sprechen unterschiedliche Kundengruppen an. Der Handel müsse aber insgesamt auf einen besseren Kundenservice setzen. SZ-Redakteur Peter Wagner hat mit Tosun gesprochen.

Herr Tosun, nach dem Eigentümerwechsel im Karstadt-Konzern werden erste Filialen geschlossen. Sehen Sie auch Karstadt Saarbrücken langfristig bedroht?

Zulfukar Tosun: Das sollte nicht sein. Kaufhof und Karstadt sind in einer sehr guten Position, weil sie je an einem Ende der Saarbrücker Bahnhofstraße liegen. Beide haben unterschiedliche Kundengruppen und anders aufgebaute Sortimente. Kaufhof ist in der Landeshauptstadt unangefochten und bedient eher die mittlere Einkommensklasse, Karstadt ist ein etwas höherwertiges Geschäft, wohl auch, weil es am Rand des schicken St. Johanner Marktes liegt. Es sollte nach meiner Überzeugung noch hochwertiger werden. Das wäre eine gute Idee, um sich zu behaupten.

Sie halten Saarbrücken für eine sehr gute Einkaufsstadt, würden dem Handel aber noch mehr Qualität empfehlen?

Tosun: Mehr Qualität anstelle von mehr Verkaufsfläche.

Sie gehören zu den Skeptikern, was Online-Shops betrifft?

Tosun: Dem guten Einzelhändler geht es nicht schlecht, und er braucht keinen E-Commerce. Solche Shops sind teuer bei der Einrichtung und im Unterhalt, sie rechnen sich oft erst nach vielen Jahren, wenn überhaupt, und kommen für inhabergeführte Geschäfte selten infrage. Außerdem wird auch der E-Commerce-Kunde immer anspruchsvoller. Der Vertriebsweg ist nicht so attraktiv, wie er oft dargestellt wird.

Wie kann sich Fachhandel gegen Internet-Konkurrenz behaupten?

Tosun: Indem er sein Geschäft einzigartig macht. Das fängt schon mit der Begrüßung der Kunden als Individuum an. Viele kennen ihre Kunden gar nicht richtig, weil sie sie nicht nach ihren Wünschen fragen. Sie trauen sich nicht zu fragen, woher die Leute kommen und warum sie in das Geschäft kamen.

Woran liegt das?

Tosun: Kundenbetreuung hatte über Jahre einen untergeordneten Stellenwert in Deutschland, und zwar seit dem Jahr 2001, als das Rabattgesetz fiel. Fast alle versuchten daraufhin, die Menschen über Preisschlachten und Kupons zu beeindrucken statt über Qualität und Service. Jetzt wird wieder nachgeholt, was früher selbstverständlich war.

Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie konkret?

Tosun: Grundsätzlich sollten Inhaber die Läden viel stärker mit Kundenaugen sehen. Dann würde sich schon eine Menge ändern. Es gäbe mehr Beratung mit Leib und Seele und schönere Schaufenster - eine schwarze Lederjacke vor einer schwarzen Wand kann nur dekorieren, wer im wahren Wortsinn betriebsblind ist. Warum liegen an den Kassen so vieler Geschäfte dutzende Flyer von Veranstaltungen, die mit dem Laden nichts zu tun haben? Da sollte die Kundin ihre Tasche abstellen können! Warum findet man so selten gut lesbare Preisauszeichnungen an der Ware? Mit Kleinigkeiten kann man viel bewirken.

 Die Karstadt-Filiale in Saarbrücken. Archivfoto: Becker&Bredel

Die Karstadt-Filiale in Saarbrücken. Archivfoto: Becker&Bredel

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Zur PersonZulfukar Tosun, 35 Jahre, Sohn türkischer Eltern, ist bekennender Unterfranke. Nach Einzelhandelslehre und Betriebswirtschaftsstudium war er in leitenden Funktionen in Handelshäusern im In- und Ausland tätig, ehe er sich mit einer Beratungsfirma selbstständig machte. Sie betreut Kunden in Deutschland, im Saarland und in aller Welt. wp

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