Kammermusik für Streicher mit russischem Prägestempel

Saarbrücken. Kammermusik für Streicher mit russischem Prägestempel: Das war am Mittwoch die Devise des 3. Ensemblekonzerts der Deutschen Radio Philharminie (DRP). Unter dem Motto "Souvenirs russes" stellten die Musiker Kompositionen von Tschaikowsky und Borodin vor

Saarbrücken. Kammermusik für Streicher mit russischem Prägestempel: Das war am Mittwoch die Devise des 3. Ensemblekonzerts der Deutschen Radio Philharminie (DRP). Unter dem Motto "Souvenirs russes" stellten die Musiker Kompositionen von Tschaikowsky und Borodin vor.Der Einstieg mit einem nachgelassenen B-Dur-Quartettsatz von Tschaikowsky war mehr als das Ergebnis archäologischer Neugier. Der Allegro-Satz verblüfft nämlich schon mit allen Vorzügen thematischer und satztechnischer Raffinesse, die Tschaikowskys "eigentliche" drei Streichquartette auszeichnen.

Süffige Melodien in bunter harmonischer Verpackung: Das war für die DRP-Streicher Grund genug, den schönen Ton zu pflegen und mit sattem, aber nicht übertriebenen Vibrato an das Gefühl zu appellieren. Stilistisch eng verwandt ist Borodins 2. Streichquartett D-Dur, das liedhaft und schwärmerisch zugleich in Ohrwurmqualität musiziert und alle Instrumente solistisch relevant einsetzt. Verschiedene Melodien (etwa das Notturno) sind weltberühmt. Die DRP-Streicher vermieden die Gefahr, das Stück in bewährter Manier "abzunudeln". Sie intonierten frisch, verstanden die Tempi zügig und tönten die Klangfarben leuchtend. Auf grelle Effekte wurde verzichtet. Das Sangliche, Schwungvolle und Volkstümlich-Verwurzelte bot Maß und Ziel einer feinen Interpretation von apartem Glanz.

Nach der Pause wurden aus vier Musikern sechs. Xiangzi Cao und Helmut Winkel (Violine), Yulia Smirnova und Irmelin Thomsen (Bratsche) sowie Valentin Staemmler und Claudia Limperg (Cello) widmeten sich Tschaikowskys d-Moll-Streichsextett, das unter dem Beinamen "Souvenir de Florence" berühmt geworden ist. Allerdings könnte der Titel falsche Erwartungen wecken. Weder gibt es konkrete programmatische Ansätze noch thematische folkloristische Zitate italienischer Herkunft.

Es handelt sich vielmehr um absolute Musik, die in einem Florentiner Hotel entstand und tänzerische, eher russisch aquarellierte Motivik verarbeitet. Die DRP-Streicher ließen sich auf die leidenschaftliche Grundstimmung der Musik ein und verwirklichten, ohne in falschem Pathos zu versinken, ein Stück Seelenschau aus Tschaikowskys tiefsten unterbewussten Verliesen.

Alles, was ihn an Liebe, Schmerz und Verzweiflung im Leben bedrückte, hat er hier temperamentvoll verarbeitet. Die Interpretation der DRP-Streicher verleugnete den historisch belegten Gefühlstumult des Komponisten nicht, hütete sich aber vor Effekthascherei und übertriebener neo-romantsicher Gefühligkeit. Ein anspruchsvoller Tanz auf dem Seil, der mit Bravour bestanden wurde. pes

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