Jugendamt setzt auf Familienräte

Saarbrücken · Das Jugendamt des Regionalverbandes will bei Konflikten zwischen Eltern und ihren Kindern die Verantwortung der Familien stärken. Das Modellprojekt ist zunächst auf zwei Jahre befristet, aber nicht für jede Familie geeignet.

Eltern sind mit der Erziehung ihrer Kinder aus den verschiedensten Gründen oft überfordert. Wenn es immer wieder Streit gibt und Kinder im schlimmsten Fall vernachlässigt oder gar misshandelt werden, muss das Jugendamt eingreifen. Denn eine Großfamilie, die hilft, Probleme zu lösen, gibt es oft nicht mehr.

Genau hier setzt der Familienrat an. Die Idee: Nicht das Jugendamt gibt eine Lösung vor, sondern Familien versuchen, mit Unterstützung von Verwandten, Freunden und Nachbarn, ihre Probleme selbst zu lösen. Diesen aus Neuseeland importierten Ansatz der Jugendhilfe hat nach Angaben des Regionalverbandes bereits das Jugendamt Berlin-Mitte erfolgreich erprobt. Selbst bei Fällen, in denen das Kindeswohl gefährdet ist, soll der Familienrat eine Lösung suchen. "Es gibt hier keine Beschränkung", sagt Armin Weppernig, stellvertretender Leiter des Jugendamts. Beim Familienrat werde das Umfeld viel stärker an der Lösung des Problems beteiligt. "Wenn die soziale Kontrolle da ist, ist der Schutz viel effektiver, als wenn das Jugendamt eine Hilfe aufzwingt und droht, das Kind aus der Familie zu holen", sagt Weppernig.
Neue Stelle im Jugendamt

Aber natürlich gebe es Notfälle, in denen Kinder und Jugendliche aus der Familie geholt werden müssen. Doch selbst dann könnte ein Familienrat darüber entscheiden, wie es anschließend weitergeht. Der Regionalverband stellt nun eine Fachkraft ein, die die Familienräte betreut, erklärt er. Damit sei der Regionalverband Vorreiter in Deutschland. Diese Spezialisierung gebe es sonst nirgends. Die Mitarbeiter des Sozialen Dienstes seien bereits so belastet, dass sie nicht auch noch am Wochenende Familienräte betreuen können, sagt Weppernig. Die Fraktionen in der Regionalversammlung hätten deshalb der zusätzlichen Stelle, die jährlich 50 000 Euro kostet, zugestimmt. Der zuständige Sozialarbeiter werde sehr früh mit dem Experten für Familienräte darüber reden, ob eine Familie sich dafür eigne. Der Sozialarbeiter gibt dann den Fall ab, bis der Familienrat abgeschlossen ist.

Zusätzlich wird es einen Koordinator geben, der bei einem Wohlfahrtsverband angestellt ist, der bereits mit dem Jugendamt zusammenarbeitet. Er oder sie wird die Familienräte organisieren. Die Entscheidung darüber, wer daran teilnimmt, treffe aber die Familie. Der Koordinator benennt das Problem, die Lösung soll der Rat dann selbst erarbeiten. Dieser Lösung muss die Fachkraft zustimmen. Nach acht bis zwölf Wochen wird dann gemeinsam mit dem Jugendamt überprüft, ob sich die Situation in der Familie verbessert hat. "Wenn so eine Problemlösung gelingt, ist es das Beste", meint Weppernig. Das Jugendamt werde das Modell der Familienräte nun ab 2015 zwei Jahre lang testen und anschließend überprüfen, ob es erfolgreich war. Der Regionalverband hoffe natürlich auch, das in die neue Stelle investierte Geld bei Heimunterbringungen oder Familienhelfern zu sparen, die sonst oft bei Problemen eingreifen, sagt Weppernig.

Stiehlt sich das Jugendamt jetzt nicht aus der Verantwortung und schiebt diese auf die Familien ab? "Nein, das Jugendamt begleitet den gesamten Prozess und ist im Hintergrund präsent. Die Federführung liegt aber bei der Familie", entgegnet Armin Weppernig. Das sei besser, als Druck auf die Eltern auszuüben. Er weiß aber auch, dass der Familienrat nicht alle Probleme lösen kann: "Wenn die Familie isoliert ist, funktioniert der Familienrat nicht."

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