Job zurückfahren, um Angehörige zu pflegen

Saarbrücken · Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind drei Firmen aus Saarbrücken absolute Spitze im Saarland. Sie gehören zu den sechs Preisträgern des Wettbewerbs „Unternehmen Familie 2014“. In einer kleinen Serie stellen wir die Firmen vor. Heute: das Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg.

 Daniela Bernardi arbeitet als Sekretärin im Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg. Foto: Oliver Dietze

Daniela Bernardi arbeitet als Sekretärin im Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Ohne Hilfe geht es nicht mehr: morgens beim Waschen und Anziehen, mittags beim Kochen und abends beim Schlafengehen. Deshalb ist die 86-jährige Mutter von Daniela Bernardi (60) vor vier Wochen bei ihrer Tochter eingezogen. Für beide eine große Umstellung - die aber nicht zuletzt durch die Hilfe von Bernardis Arbeitgeber sehr gut klappt. Bernardi, die aus Brebach stammt, arbeitet seit 28 Jahren im Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg, davon die letzten sechs Jahre in der Kinderklinik. Mitte Oktober ist das Klinikum beim Wettbewerb "Unternehmen Familie 2014" als eines von drei besonders familienfreundlichen Unternehmen im Regionalverband Saarbrücken von der saarländischen Industrie- und Handelskammer (IHK) ausgezeichnet worden.

Unter anderem bietet das Klinikum Angestellten, deren Eltern pflegebedürftig sind, die sogenannte Wahlarbeitszeit an - für Bernardi ein Glücksfall. "Ich werde meine Vollzeitarbeit ab Januar um 20 Prozent reduzieren", schildert Bernardi das Modell. "Natürlich bekomme ich dann auch 20 Prozent weniger Gehalt. Aber ich kann danach wieder auf eine ganze Stelle gehen, wenn ich will - das ist das Besondere bei der Wahlarbeitszeit."

Irmtraut Müller-Hippchen, Pressesprecherin des Klinikums, ergänzt: "Der Beschäftigte kann dann sogar bis zu 80 Prozent weniger arbeiten - befristet oder unbefristet."

Derzeit beginnt Bernardis Tag um fünf Uhr morgens. "Zuerst wird ein bisschen was geschafft", erzählt sie. "Bügeln zum Beispiel. Dann richte ich das Frühstück für mich und meine Mama. Zähneputzen kann sie allein, aber beim Duschen helfe ich ihr."

Gegen halb sieben fahre sie in die Klinik. Ihre Mutter wärme sich später das von Bernardi vorbereitete Mittagessen auf. Tagsüber schaut Bernardis Tochter, die ganz in der Nähe wohnt und in Elternzeit ist, nach ihrer Großmutter. Kommt Bernardi gegen halb vier nachmittags aus der Klinik nach Hause, trinken sie und ihre Mutter erst mal Kaffee, erzählt sie weiter. Nachmittags stünden Besorgungen, Besuche oder Spazierengehen auf dem Programm. Gegen halb sieben ziehe sich ihre Mutter in ihr Zimmer zurück - etwa zwei Stunden später schlafen beide.

Doch da Bernardis Tochter ab Januar wieder anfange zu arbeiten, habe sie eine andere Lösung finden müssen, so Bernardi. Betreuung durch Fremde kommt für sie aber nicht infrage. "Solange meine Mama klar im Kopf ist, braucht sie nicht in ein Heim zu gehen", sagt sie und schmunzelt. Also bat Bernardi ihren Vorgesetzten Jens Möller, Chefarzt der Kinderklinik, die Wahlarbeitszeit in Anspruch nehmen zu dürfen.

"Er hat ganz toll reagiert", sagt Bernardi. Ihre Stimme bebt ein bisschen, als sie hinzufügt: "In einem anderen Betrieb wäre das nicht so ohne Weiteres möglich gewesen." Im neuen Jahr kommt Bernardi jeden Tag zwei Stunden früher von der Arbeit nach Hause. "Dann können meine Mama und ich immer zusammen zu Mittag essen."

Auch das Spazierengehen mit dem Rollator sei dann leichter, weil sie mehr von den hellen Stunden des Tages hätten. Bernardi hat sich wieder gefasst und setzt sich zurück an ihren Schreibtisch. Dort wartet noch Arbeit auf sie, bis sie nachmittags mit ihrer Mutter zum Einkaufen in den Globus-Markt fahren kann. "Meine Mama möchte nämlich heute Lachsbrötchen zu Abend essen", verrät Bernardi und lacht jetzt wieder. "Das haben wir heute Morgen beschlossen."

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