Islam-Kenner hatte unbequeme Analyse im Gepäck

Saarbrücken · Jugendliche, die Knall auf Fall ihr vertrautes Leben wegwerfen und sich in die nahöstlichen Terror-Hochburgen aufmachen, werfen Fragen auf. Nicht nur bei den schockierten Familien der Radikalisierten. Der Berliner Diplom-Psychologe Ahmad Mansour wartet mit Antworten auf, die viele in die Pflicht nehmen. Entsprechend spannend war die Diskussion, bei der er in Saarbrücken auftrat.

Was führt junge Menschen in Deutschland dazu, sich den Salafisten anzuschließen oder gar mit dem "Islamischen Staat" in Syrien und dem Irak in den "Heiligen Krieg" zu ziehen? Und was muss unsere Gesellschaft unternehmen, um diese Radikalisierung zu verhindern?

Um Antworten auf diese Fragen ging es am Samstag bei einer gut besuchten Diskussion in der Saarbrücker Sparte 4. Prominenter Gast war an diesem Abend in der Veranstaltungsreihe "Was wollen wir werden?" der Berliner Diplom-Psychologe Ahmad Mansour. Ihn befragte Karin Meißner, Leiterin der Fachstelle Antidiskriminierung und Diversity, zu seinem Buch "Generation Allah". "Das sind nicht die Radikalen, sondern normale Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsenen sind, aber in den sozialen Medien immer wieder Werte vertreten, die mit der Grundordnung der Gesellschaft nicht vereinbar sind", erläuterte Mansour.

Experte will digitale Sozialarbeit

Was sie gefährde, habe eine psychologische, eine soziologische und eine religiös-ideologische Dimension, sagte der Psychologe. Er war als arabischer Jugendlicher in Israel für eine Zeit lang selbst in islamistische Kreise geraten und begleitet heute in Berliner Beratungsstellen betroffene Familien und Aussteiger.

Diese Jugendlichen lebten oft in bedrückenden familiären Situationen, in der eine Vaterfigur fehle oder die Bindung zwischen Eltern und Kindern zerstört sei. Sie litten unter Identitätskonflikten, sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch ihrer eigenen Community ausgegrenzt.

Sie nähmen Religion als Tabu war und reagierten auf jede Kritik daran aggressiv. Soweit nur einige Aspekte. Mansour warnt vor einer Vereinfachung, die man auch bei so einem Diskussionsabend nicht vermeiden kann. Man dürfe diese Jugendlichen nicht den Salafisten überlassen, die heute die besseren Sozialarbeiter seien, betont Mansour.

Nötig sei etwa "digitale Sozialarbeit ", da sich die Jugendlichen inzwischen mehr im Netz aufhielten als im Jugendzentrum nebenan. Nötig findet er aber auch eine offenere Debatte über den Islam: über jenes Islamverständnis, das mit Angstpädagogik, einem patriarchalischen und nur strafenden Gott und Buchstabenglauben arbeite und die Sexualität tabuisiere.

Damit müssten sich auch die Islamverbände und Moscheegemeinden auseinandersetzen, plädiert der Muslim Mansour, der für diese Haltung von Verbandsvertretern angefeindet wird.

Dass sich an diesem Abend in der Sparte 4 viele Muslime - allesamt aus Syrien - an der Debatte beteiligten, freute ihn sehr.

Zum Thema:

Auf einen Blick Und so geht's in der Sparte 4 weiter mit der Veranstaltungsreihe "Was werden wir werden?": In einer Filmreihe, die das Goethe-Institut bereitstellt, wird am Donnerstag, 13. Oktober, ab 15.30 Uhr ein Roadmovie mit Tiefgang für Kinder ab zehn Jahren gezeigt. Es ist die Geschichte über die zwölfährige Kattaka, die ihren leiblichen Vater sucht. Am selben Tag beginnt um 20 Uhr das Programm "Meine Welt, Deine Welt". Es soll Impulsvorträge mit sich anschließenden offenen Gesprächen zu Recht, Religion und Freiheit geben und zeigen, was unsere Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben prägt. Das so genannte Utopia-Café "Erklär mir Deutschland" folgt am Freitag, 14. Oktober, von 15.30 bis 18 Uhr . In der lockeren Runde von Bürgern für Bürger geht es diesmal um Fragen zum deutschen Alltag. Um 20 Uhr folgt Migrationsforschung vor Ort. Dann stellt die Hochschule für Technik und Wirtschaft ihre wissenschaftlichen Projekte im Themengebiet "Gesellschaftliche Integration und Migration" vor. Ein Stück mit Flüchtlingen aus Syrien und Einheimischen über das Ankommen in einer neuen Welt folgt am Samstag, 15. Oktober, ab 20 Uhr im Utopia-Café "Morgen wird schöner Redux", (siehe Vierspalter oben auf dieser Seite). Thematisiert wird das Neuwerden in Deutschland in Zeiten des Terrors. Saarländische Helfer für Flüchtlinge stellen sich am Sonntag, 16. Oktober, ab 20 Uhr vor und erklären die rechtliche und gesellschaftliche Situation auf Deutsch. sbu Karten und weitere Informationen bei der Vorverkaufskasse, des Staatstheaters unter Telefon (06 81) 3 09 24 86, per E-Mail an die Adresse: kasse@staatstheater.saarland oder im Internet: www.staatstheater.saarland . Die Abokasse ist erreichbar unter der Telefonnummer (06 81) 3 09 24 82.

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