Im geheimen Reych der Schlaraffen

Saarbrücken · Ritter in Saarbrücken? Gibt es! 45 an der Zahl. Aber keine Angst, ihre Waffen sind Scharfsinn und Humor. Nur jammerschade, dass man die „Schlaraffia sarebrucca“ fast nie zu Gesicht bekommt.

 Saarbrückens Schlaraffen versammeln sich in ihrer St. Johanner „Burg“ zu den Sitzungen, den „Sippungen“. Fotos: rolf Ruppenthal

Saarbrückens Schlaraffen versammeln sich in ihrer St. Johanner „Burg“ zu den Sitzungen, den „Sippungen“. Fotos: rolf Ruppenthal

 Sie pflegen seit langem das schlaraffische Spiel: Chirurg Jürgen Bräumer (linkes Bild) alias „Ritter Op-nop“ und Kunsthändler Rainer Elitzer, den der Rittername „Nie-Kitsch“ schmückt.

Sie pflegen seit langem das schlaraffische Spiel: Chirurg Jürgen Bräumer (linkes Bild) alias „Ritter Op-nop“ und Kunsthändler Rainer Elitzer, den der Rittername „Nie-Kitsch“ schmückt.

Gibt es einen Ruhepol, an dem Politik, Religion, Gewinnerwartungen und dergleichen wuchtige Alltagsthemen nichts verloren haben? Wo statt dessen gelacht, gedichtet, gesungen, getrunken und gefeixt wird? Ja, versichern die Männer, die hier verkehren, es gebe dieses "Schlaraffenland des Geistes". Es heißt "Schlaraffia sarebrucca" und ist eines von weltweit 260 "Schlaraffen-Reychen" mit insgesamt 10 500 Mitgliedern. "Schlaraffia" ist ein deutschsprachiger Männerclub, der 1859 von Künstlern in Prag gegründet wurde und 1906 nach Saarbrücken kam.

Seine Aufgabe ist flink umrissen: Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor. Sein Ziel: Glückseligkeit. Die Mitglieder nennen sich Ritter, tragen bei ihren Zusammenkünften bunte Stoffumhänge, Mützen, Schwerter und Fantasie-Orden. Und natürlich Fantasienamen, die sich aus ihren Berufen oder Hobbys ableiten.

Der Kunsthändler Rainer Elitzer heißt "Ritter Nie-Kitsch", der Pferdefreund Axel Kerber "Ritter Galoppo". Heinz Mederer, früher erster Geiger, ist als "Ritter Mops-Fidel" ein kultureller Leistungsträger des Reyches.

Die Saarbrücker Schlaraffen treffen sich im Winterhalbjahr wöchentlich in ihrer "Burg", seit vielen Jahren ein großer Raum im Untergeschoss des Casinos am Staden. 45 Ritter sind in Sarebrucca gemeldet, da viele aber schon weit jenseits der 70 sind, liegt die Beteiligung an den "Sippungen" (Sitzungen) bei etwa 30 bis 50 Prozent. Diese Treffen werden seit 1906 fortlaufend nummeriert; wir sind derzeit bei etwa 2740!

Beim Eintreten in den Raum grüßen und herzen sich die Männer mit einem kräftigen "Lulu" und verneigen sich vor ihrem Wappentier, dem Uhu. Die Saarbrücker verfügen über ein ausgestopftes Exemplar aus dem Zoo, einen Prachtkerl. Dafür sind ihre Schwerter leider nur aus Holz. Wogegen die befreundeten Nachbar-Schlaraffen aus Völklingen, angeführt von "Ritter Phil-Jus" (Walter Teusch, Rechtsanwalt), welche aus Eisen tragen - sie haben jemanden von der Hütte in ihren Reihen. Dafür aber haben sie keine Burg in Völklingen (mehr) und müssen in Hostenbach einreiten.

Es ist Usus, dass sich Ritter diverser Reyche besuchen, eine mit allerlei Ehrbezeugungen vonstatten gehendes Zeremoniell - und dann in der Fremde und daheim ausführlich berichten. Wer zum ersten Mal eine Sippung der Saarbrücker Schlaraffen beobachten darf, versteht weniger als Bahnhof.

Die "Ceremonie" der Ritter, angeführt von "Ritter Op-nop" (Dr. med. Jürgen Bräumer, Chirurg), ist ein einziges großes, fast kaberettistisches Ritual, ein geistreiches Sprachspiel, eine Eugenspiegelei für Insider. Was minutenlang nach bitterem Ernst klingt, löst sich plötzlich in Sekunden als Selbstironie auf. Wenn sich einer zu ernst nähme, fiele er rasch unangenehm auf.

Es dauert wohl Jahre, bis man seine erlernte Sprache simultan ins Schlaraffische übertragen und ritterlich auftreten kann. Manchmal erinnert das Spiel ein wenig an Karneval. Damit wollen die Ritter aber nichts zu tun haben. Sie verweisen darauf, dass sie schlüpfrigen Witz nicht mögen und auch nicht auf Pointen oder Applaus von Publikum erpicht sind.

Diese Abgeschiedenheit des (von den Nationalsozialisten verbotenen) Herrenclubs ist eigentlich sehr schade, denn die Kurzvorträge, Gedichte und Lieder, die nach dem offiziellen Teil zu Gehör gebracht werden, verdienten ein größeres Publikum. So wird es den meisten Zeitgenossen nicht vergönnt sein, je einen Schlaraffen-Ritter in seinem Element zu erleben. Im Alltag kann man manchmal aber welche beobachten. Als Erkennungszeichen tragen die Ritter eine kleine weiße Perle am linken Revers. Vielleicht findet man einen guten Draht zu ihm und damit einen Zugang in ein Reych, in das man nicht eintreten kann, sondern in das man gebeten wird.

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