Homburger Arzt gewinnt 100 000-Euro-Wette um Existenz von Masernviren

Homburg/Ravensburg · Was für eine Wette: Ein Biologe aus der Bodensee-Gegend lobte im Internet 100 000 Euro für denjenigen aus, der die Existenz von Masernviren belegt. Ein Arzt aus Homburg lieferte Beweise und seine Kontonummer gleich mit. Vor Gerichte siegte er nun. Das Geld will er spenden.

Dass die Richter des Landgerichts Ravensburg schon gestern ein Urteil sprechen würden, hatte kaum jemand erwartet. Für sie war die Sache am Ende wohl recht eindeutig. "Im Namen des Volkes" entschieden sie nach dreistündiger mündlicher Verhandlung, dass ein Impfgegner aus Langenargen am Bodensee dem Homburger Arzt David Bardens 100 000 Euro zahlen muss. Weil der mit Studien belegte, was wohl jeder Mediziner schon in seinem Studium lernt: dass es Masernviren gibt.

Die Vorgeschichte klingt verrückt: Der Impfgegner Stefan Lanka hatte 2011 per Internet demjenigen 100 000 Euro geboten, der anhand einer wissenschaftlichen Veröffentlichung die Existenz und Größe der Masernviren belegen könne. Der Biologe bestreitet nämlich die Existenz: Masern würden durch eine Vergiftung oder aber durch psychosomatische Faktoren ausgelöst und nicht durch Viren, sagt er. Das Impfen gegen Masern und Viren generell habe daher keine wissenschaftliche Rechtfertigung.

Bardens (30) sah die Auslobung der Prämie im Internet , kramte ein paar Studien zusammen und schickte sie dem Impfgegner, die Kontonummer gleich mit. Doch Lanka zahlte nicht, weil die Fachartikel aus seiner Sicht die Existenz der Viren und ihre krankmachende Eigenschaft nicht belege.

Bardens, der nach seinem Studium und einer Tätigkeit am Homburger Uniklinikum inzwischen in Schweden lebt und arbeitet, bestand auf der Zahlung, seine Anwältin verklagte Lanka auf Zahlung der 100 000 Euro . Das Landgericht Ravensburg musste also entscheiden, ob Bardens den Anspruch auf die Prämie zu Recht erhebt. Und ob die Untersuchungen, die er Lanka geschickt hatte, tatsächlich die Existenz des Masernvirus belegen. Die Richter schalteten den Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Uni Rostock, Professor Andreas Podbielski, als Gutachter ein. "Die Existenz des Masernvirus ist in der Fachliteratur weltweit anerkannt", sagte der gestern vor Gericht. Er habe keinen Experten gefunden, der hier Zweifel äußern würde. Das Gericht folgte seiner Einschätzung und urteilte, die Kriterien des Preisausschreibens seien formal und inhaltlich erfüllt worden.

Lanka kündigte Berufung zum Oberlandesgericht in Stuttgart an, doch Bardens' Anwältin Caroline Gebhardt ist sicher: "Die hat ganz wenig bis gar keine Chancen auf Erfolg."

Der Prozess in Ravensburg kam zu einer Zeit, in der in Deutschland erneut über eine mögliche Impfpflicht diskutiert wird. Denn allein in diesem Jahr haben sich mehr als 900 Menschen in der Bundesrepublik mit Masern angesteckt. Bis Ende Februar wurden an das Robert-Koch-Institut Masernausbrüche aus 13 Bundesländern gemeldet. Nach Berlin gab es in Bayern, Brandenburg und Sachsen die meisten Patienten. Gerade deshalb habe die Entscheidung des Landgerichts "weit über den Fall hinausgehende Bedeutung", sagt Gebhardt.

Der Prozess hatte ursprünglich im April 2014 unter großem öffentlichen Interesse begonnen. Damals wurde er aber nach wenigen Minuten vertagt, weil das Gericht noch ein Gutachten einholen wollte. Auch bei der Fortsetzung gestern war der Gerichtssaal vollbesetzt - im Publikum saßen sowohl Impfgegner als auch -befürworter, die den Prozess mitunter lautstark kommentierten.

Wie emotional und heftig der Streit ums Impfen geführt werden kann, hatte der Kläger nach eigenen Angaben selbst erlebt: Er sei im Internet mehrfach verleumdet und bedroht worden und habe deshalb einen eigenen Bodyguard mitgebracht, ließ er über seine Anwältin mitteilen. Der Arzt selbst - der die Aufmerksamkeit der Medien beim Prozessbeginn 2014 noch ausgiebig genutzt hatte, um seine Ansichten zu verfechten - wollte sich gestern nicht mehr äußern. Der Grund: Er hat mit einem privaten Fernsehsender einen Exklusiv-Vertrag abgeschlossen. Nur soviel durfte seine Anwältin ausrichten: Das Preisgeld von 100 000 Euro wolle er spenden. "Konkret hat er es sich noch nicht überlegt", sagte sie. "Aber auf jeden Fall will er mit dem Geld medizinische Projekte fördern."

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